Orthodoxe Kirchen - German Flowers of Orthodoxy 1

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Orthodoxe Kirchen


German Flowers of Orthodoxy 1


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Christus: das Licht und die Hoffnung der Welt
 

Mit dem Jahr 2000 vollendet das Christentum zwei Jahrtausende historischer Gegenwart und Zeugenschaft. Aber Christentum bedeutet Jesus Christus, denn der Gottmensch ist Derjenige, der zu einem bestimmten geschichtlichen Moment in die Welt erlösend eingetreten ist und den Verlauf und den Sinn der Geschichte veränderte. Die Vollendung des zweiten christlichen Jahrtausends erlaubt nicht nur, dies zu feiern, sondern vor allem Bilanz zu ziehen über den Zustand der christlichen Welt und das Verhältnis der heutigen Christen zum Gründer der Kirche. Vor allem sind wir, die Orthodoxen, die trotz unserer Sünden der Tradition unserer Heiligen, der authentischen Christen, treu bleiben, dazu aufgerufen, der Welt zu bekennen, was Christus für uns bedeutet und mit welcher Einstellung wir ins dritte Jahrtausend nach Christi Geburt hineinkommen.

Natürlich kann für uns Orthodoxe das Jahr 2000 aus chronologischer Sicht nur konventionellen Charakter haben, denn es ist wissenschaftlich bekannt, daß unsere Chronologie gegenüber der wirklichen um 6 oder 7 Jahre zurückbleibt. Deshalb ist uns jede abergläubische Mythologisierung des Jahres 2000 fremd, welches erscheint, um in den natürlichen Fluß der Zeit hinzugefügt zu werden, wie es mit jedem Jahr geschieht. Die Feier der Geburt Christi dieses Jahr wird sich auch nicht von der Danksagung und Verherrlichung unterscheiden, die wir jedes Jahr Seiner Allheiligen Person emporsenden. Die heiligväterliche Frömmigkeit hat uns mit unvergleichlichen homiletischen und liturgischen Texten versorgt, die in die Tiefe des Mysteriums der göttlichen Inkarnation eindringen und ein frommes Bekenntnis von Glaube und Hoffnung für jedes christliche Herz zusammenstellen. Mit denselben Texten werden wir noch einmal unsere Danksagung und Verherrlichung unserem Herr Jesus Christus bekennen, „Ihn als Gott in allen Zeiten lobpreisend“. Was ist also Christus für uns Orthodoxe?

1. «Archetypus» und «Ziel»

Christus ist jene Person der Heiligen Dreiheit, die auch vor Seiner Inkarnation in direkter Verbindung mit der Welt steht. Erstens ist Er der Schöpfer alles Erschaffenen. Gott Vater erschafft „durch den Sohn im Heiligen Geist“ die Schöpfung. Sohn und Geist heißen in der Theologie unserer Kirche „Hände“ des Vaters. Der Sohn, Christus, wirkte auch nach der Erschaffung, „ohne Fleisch“ (d. h. vor Seiner Inkarnation), erlösend in der Welt, indem Er die Gerechten und die Propheten zur Vergöttlichung (gr. Theosis) führte, und die Welt darauf vorbereitend, Seine körperliche Anwesenheit anzunehmen.

Aber Christus ist auch der „Archetypus“ und das Vorbild, gemäß dem der Mensch erschaffen wurde. Dies wird durch den alttestamentlichen Satz offenbar: im Bilde Gottes schuf Er ihn (also Gott den Menschen, Gen 1,21). Nach dem Apostel Paulus, der das Mysterium Christi tiefer als jeder andere erlebte, ist der Gottmensch Christus das Bild des unsichtbaren Gottes, der als Wort (gr. logos) Gottes (Jh 1,1) der Welt den Vater offenbart. „Durch Den wir den Vater kannten“ singen wir in der Vesper des Heiligen Geistes nach den Worten des Kaisers Leon des Weisen († 912), die das Wort Christi umschreiben: Wer Mich gesehen hat, hat den Vater gesehen (Jh 14,9). Also derjenige, der die Göttlichkeit des Sohnes sieht (Theoptie, „Schau Gottes“), sieht auch die Göttlichkeit des Vaters. Nach dem hl. Gregor Palamas bezieht sich das „im Bild“ auf den gesamten Menschen als Körper und Seele (das «συναμφότερον»). Nach dem hl. Johannes Chrysostomus (E.P. 59, 694) „πρώτον ετυπώθη τα κατά την σάρκα του Χριστού“, also „erst wurde das geformt, was das Fleisch Christi betraf (= erst wurde der Gottmensch als Urbild des Menschen auf ewig bestimmt)… „και τότε Αδάμ επλάσθη“,„und dann wurde Adam erschaffen“. Vor der Fleischwerdung (Inkarna-tion) blieb unser ewiges Urbild unsichtbar und unbekannt; durch die Fleischwerdung wurde es bekannt, ist geoffenbart worden im Fleische (1 Tim 3,16) in der Person Christi.

Aber Jesus Christus ist ebenfalls unser „Ziel“. Der Sinn unserer Existenz und unserer Anwesenheit in der Welt. Der Mensch wurde „christozentrisch“ erschaffen, „mens naturaliter christiana“, wie Tertullian (2. Jh.) sagte. Der Mensch ist von seiner Natur aus Christ, d. h. er bezieht sich auf Christus als seinen Schöpfer, als sein Urbild und Ziel. Der Sinn unseres Lebens ist die Vergöttlichung (Theosis) und unsere „Christosis“ „der Gnade nach“ („κατά χάριν“), die Einswerdung mit Gott „in Christo“ und durch Christus. Nach dem hl. Basileios dem Großen wurde der Mensch als „beauftragter Gott“ erschaffen („Θεός κεκελευσμένος“), also in sich das Gebot (Gottes) tragend, Gott zu werden („der Gnade nach“). Das bedeutet, das spirituelle Maß Christi zu erreichen, da er dazu berufen wird, zum vollkommenen Mann zu werden, zum vollen Maß der Fülle Christi (Eph 4,13) hinzugelangen: zur vollkommenen Reife, zum Maß des vollkommenen spirituellen Wuchses Christi.

Christus, als Gottmensch, bestimmt vom Anfang der Geschichte an den spirituellen Verlauf des Menschen; Er Selbst ist das Vorbild und Maß dieses Verlaufs. Er wurde so zum Schlüssel der Erkenntnis der Geschichte und des Menschen und Quelle ihrer Sinngebung. Mensch und Geschichte bewegen sich stetig auf den „kommenden“ Herrn zu, Den sie als Schöpfer, Erlöser, Erretter und Wohltäter treffen, aber auch als Richter am Ende der Geschichte, bei Seiner zweiten und glorreichen Erscheinung.

Christus ist daher das Zentrum der Geschichte geworden. Er spaltete die Geschichte in Zeitalter vor und nach Seiner Geburt. In Christus, wie in einem zentralen Fluß, mündet die gesamte Menschheit vor Christi Geburt, und aus Christus, als ihrem „Genarchen“, beginnt die Menschheit nach Christi Geburt, der Leib der in Christo Erretteten. Deswegen fließt Seine Kirche in die Welt hinein, um die gesamte Menschheit zu „verkirchlichen“ (Mt 28,19), so daß die ganze Welt in Christo und durch Christus wiedergeboren wird. So wird Christus nicht nur Zentrum der Geschichte, sondern auch ihr Anfang und „Entelechie“, ihr Zweck und Vollendung. Deshalb identifiziert sich Christus mit dem „Eschaton“, als Ende und Vollendung der Geschichte. „Eschaton“ ist das, jenseits dessen nichts anderes mehr für die Errettung erwartet wird. Jenseits von Christus, dem wahren Heilsbringer, gibt es nichts Neues unter der Sonne, wie das Buch Ekklesiastes [Kohelet] (1,9) sagt. Das „Eschaton“ kommt in die Welt mit der Fleischwerdung des Gottmenschen. Dann beginnt die „christliche Eschatologie“, und sie wird mit Seiner Zweiten Erscheinung vollendet. Das für die Errettung Erwartete kam mit Christus und liegt in Seinem Leib. Die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden (Jh 1,17).

2. «Erwartung der Völker»

Jesus Christus, als Gottmensch, ist einzigartig und unvergleichbar, wie es durch Sein ganzes irdisches Leben bewiesen wird. Er ist der einzige Mensch, der noch vor Seiner Erscheinung auf der Bühne der Geschichte bekannt und erwartet war. Er war die Erwartung der Völker (Gen 49,10) der ganzen Welt. Denn Christus verhieß Seine Ankunft bereits nach dem Sündenfall der Ersterschaffenen („Protevangelion“, Gen 3,15). So orientierte sich die Sehnsucht der Menschheit auf die Zukunft, die Ankunft Christi, für die Wiederverbindung mit Ihm, die Erlösung. Diese Sehnsucht hinterließ heftige Spuren in der gesamten Menschheit, in Osten und Westen, besonders aber bei den Israeliten, die sich in den Personen ihrer Heiligen als „Gottes auserwähltes Volk“ („περιούσιος λαός του Θεού“) auszeichneten, nicht weil Gott „voreingenommen“ wäre (Apg 10,34), sondern weil ihre Heiligen den Weg der Gotteserkenntnis (Theognosie), die „Methode“ der Vergöttlichung (Theosis), retteten.

In der Prophezeiung (der Predigt derjenigen, die sich im Zustand der Theosis zur Zeit des A. T. befanden) ist die Ankunft des Messias-Christus in der Welt so intensiv und sicher, daß Sein Werk mit erstaunlicher Durchsichtigkeit beschrieben wird, als handelte es sich um bereits erlebte Wirklichkeit. Zum Beispiel vom Propheten Micha der Ort der Geburt Christi (5,1 vgl. Mt 2,6); vom Propheten Jeremia die Abschlachtung der Kleinkinder (31,15); vom Propheten Hosea die Flucht nach Ägypten (11,1); die Anbetung der Könige (Ps 71,10 u. Jesaja 60,3-6); der Vorläufer (Maelachi 3,1 u. 4,5) und seine Predigt (Jesaja 40,3-5); die Wundertaten Christi (Jesaja 35,5-6); der triumphale Einzug in Jerusalem (Sacharja 9,9); der Verrat Judas’ (Ps 40,8-10 u. Sach 11,12-13); die Verurteilung Christi (Ps 2,2); Seine Passion (Js 50,6; Ps 68,22; Ps 21; Js 53); Seine Auferstehung (Ps 15,10-11); Seine Himmelfahrt (Ps 109,1); die Herabkunft des Heiligen Geistes (Joel 3,1-5); die Umkehr der Heiden (Js 60,1-4). So ist es nicht verwunderlich, daß der „stimmgewaltigste“ Prophet Jesaja „fünfter Evangelist“ genannt wurde, da er das Zeitalter des Messias im Heiligen Geist erlebte, wie später die Evangelisten – Seine Jünger.

 

Klar und deutlich ist aber diese Erwartung auch bei den anderen Völkern: Griechen, Römern, Chinesen, Indern, Iranern, Ägyptern. Die relevanten Zeugnisse erstrecken sich bis Amerika und Skandinavien. Damit wir uns bei bestimmten eindrucksvollen Zeugnissen begrenzen, erwartete Konfuzius in China den „Heiligen“ und „Himmelsmenschen“ (Gottmenschen)! Der Buddha Gotama (der historische Buddha, in Indien, 5. Jh. v. Chr.) wies die Behauptungen seiner Anhänger, daß seine Lehre unüberwindbar sei, zurück, indem er sagte, daß seine „Lehre nach 500 Jahren ihr Ende finden“ würde. Das Erstaunlichste sogar ist, daß ein Zusammentreffen der universellen Erwartung des Messias in Palästina beobachtet wird, denn die Völker des Westens erwarteten Ihn aus dem Osten, während die Völker des Fernen Ostens Ihn aus dem Westen erwarteten.

Der „spermatische Logos“ („σπερματικός λόγος“) Gottes, der in die Herzen der spirituellen Menschen auf der ganzen Welt eindrang, führte die Gewissen zum Christus, die Menschheit so vorbereitend, Ihn zu empfangen, wenn die Fülle der Zeit (Gal 4,4) gekommen sei, die mit der universellen Gesellschaft des „Pax Romana“ verbunden wurde, und hauptsächlich mit der Person der Allheiligen Gottes-gebärerin. Die Allheilige Jungfrau wurde das „neue Paradies“, in dem der erwartete Messias als der Gottmensch, der Herr, Fleisch an-nahm .

Christus ist „der angekündigte Messias“. David verkündigte Seine Geburt (Ps 109,3). Salomon pries die urewige Weisheit Gottes als eine in die Welt kommende Person (Spr 8,22-26). Der Prophet Jesaja beschrieb Seine Geburt aus einer Jungfrau (7,14) und Seine Identität als Licht der Völker (9,1; 49,6), als Hirte (40,11), als Erlöser der Welt (25,6), der ein goldenes Zeitalter einweihen wird (35,6 u. 10). Jeremia sagte voraus, aus dem Stamm David würde ein gerechter König hervorgehen, der eine neue Gesellschaft herbeiführen würde (23,5-6; 38,22). Im Buch Baruch wird die Fleischwerdung der Weisheit Gottes prophezeit (Dann erschien sie [die Weisheit]auf der Erde und hielt sich unter den Menschen auf, 3,38). Daniel sagte das ewige Reich des Menschensohnes (7,13-14) voraus, usw. Alle Aspekte des Zeitalters des Messias werden mit Klarheit in den Büchern des A. T. beschrieben. Das Wunderbarste aber ist, daß diese Prophezeiungen „erfüllt“ wurden. Für Pascal war das ein „kontinuierliches Wunder“.

Christus ist außerdem der einzige Mensch in der Welt, dem im voraus ein Name gegeben wurde, der mit Seiner Sendung absolut identisch war. Und du sollst seinen Namen Jesus heißen, sagte der Engel zu Josef (Mt 1,21). Und er erläutert: Denn Er wird sein Volk erretten von seinen Sünden. Dasselbe sagte der Engel auch zur Gottesgebärerin (Lk 1,31). Der Name „Jesus“ bedeutet, daß Gott der wahre Heilsbringer ist. So erlebt auch die Kirche Christus (Apg 4,12: …es ist in keinem anderen das Heil). Die ganze Existenz und Gegenwart Jesu Christi bewegt sich zwischen Himmel und Erde und entspricht völlig dem, was der Begriff „Gottmensch“ beinhaltet. In Seiner Person finden die erfundenen „Gotterscheinungen“ der Heiden als Ausdruck ihres Verlangens nach Erlösung ihre Verwirklichung. Aber auch das pessimistische Dogma der Philosophen „Gott vermischt sich nicht mit den Menschen“ (Platon) wird widerlegt, denn in der Person Christi ist Gottoffenbart im Fleisch…, verkündet unter den Heiden, geglaubt in der Welt (1 Tim 3,16).

3. «Selbstberufener» Heilsbringer

Der erleuchtete Dichter des „Hymnos Akathistos“ betont eine wundersame Sicht der Fleischwerdung: „im Wunsch, die Welt zu erretten, trat der Gestalter von allem selbstberufen in diese ein“. Der Schöpfer der Welt wird Christus und Heilsbringer der Welt. Aber „selbstberufen“! Er trat in die Geschichte und die Zeit erlösend ein, um die Möglichkeit der Errettung anzubieten. Einziges Motiv dieser von Gott bestimmten Bewegung ist Seine Liebe. Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er Seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe (Jh 3,16). Gott aber erweist Seine Liebe gegen uns darin, daß Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist (Röm 5,8). Die Fleischwerdung ist die liebevolle Antwort Gottes auf das Verlangen der Welt nach Erlö-sung.

Christus ist das Maß der göttlichen Liebe. Die Inkarnation und Opferung des Gottmenschen Christus ist der größte Beweis dafür, daß Gott die Welt liebt. Die orthodoxe väterliche Tradition braucht keine gerichtlichen Theorien, um die Entäußerung (Kenosis) Gottes des Wortes zu interpretieren (z.B. „Befriedigung der göttlichen Gerechtigkeit“, Anselm von Canterbury), sondern ist treu dem Wort der Apostel geblieben. In der Person des Gottmenschen bringt Sich Gott Selbst dar, für uns Menschen und wegen unseres Heils; Er nimmt alles an, um den Menschen zu retten. Das durch Ihn ist das, was in der Tatsache der göttlichen Fleischwerdung das größte Gewicht hat: damit die Welt durch Ihn errettet wird! Dies stellt eine grandiose Offenbarung der göttlichen Liebe dar – nicht für die Verwirklichung der Errettung, sondern weil Gott wußte, daß nur „durch Ihn“ die Errettung verwirklicht werden konnte. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen (Apg 4,12). Nur in Christo, dem einzigen Gottmenschen, ist die Errettung möglich. Christus kann erretten, weil Er Gottmensch ist. Was bedeutet dies?

Die gottmenschliche Eigenschaft Jesu erklärt der Name „Christus“. Der vollständige und regelrechte Name für uns Orthodoxe ist „Jesus Christus“. Christus heißt Gottmensch, da Seine göttliche und Seine menschliche Natur sich nie trennen. Sie vereinigten sich „ohne Vermischung und ohne Trennung“ in der Person Gottes des Logos, der Seine zwei vollkommenen Naturen „hypostatisch“ vereinigt. Christus bedeutet „gesalbt“. Bei der Fleischwerdung ist der Mensch von Gott gesalbt worden, die menschliche Natur von der göttlichen. Folglich ist es Häresie und Täuschung, Christus nur für Gott zu halten, Seine Inkarnation vergessend, oder nur für einen Menschen, wenn auch für einen weisen und ein moralisches Vorbild, und dabei zu vergessen, daß Er auch nach Seiner Inkarnation Gott bleibt. Ohne den Gottmenschen Christus gibt es weder ein Christentum noch eine Möglichkeit der Rettung. Nach Basileios dem Großen „ist die Erkenntnis Christi das Bekenntnis von allem; sie weist hin auf den salbenden Gott und den gesalbten Sohn und das Salböl (Chrisma), den Geist, hin…“ (P.G. 32,116). Indem wir Christus als Gottmenschen annehmen, glauben wir an die Heilige Trinität; anderenfalls lehnen wir sie ab.

Im Gottmenschen Christus ist der Mensch mit Gott auf vollkom-mene und einzigartige Weise vereinigt worden. So hat das Erschaffene (κτιστόν) eine einzigartige Möglichkeit der Theosis, seiner Vereinigung mit dem Unerschaffenen (άκτιστον). Denn nur in der Vereinigung mit dem Gottmenschen kann dies erfolgen. Das ist auch der Zweck der Fleischwerdung. Nicht die Verbesserung der menschlichen Angelegenheiten, sondern die Vergöttlichung des Menschen und die Heiligung der materiellen Welt. Im Gottmenschen-Christus erkennen wir Gott, nicht abstrakt, kontemplativ, intellektuell. Christus als Gottmensch hat den Gott unserer Väter, Abraham, Isaak, Jakob offenbart. Der historische Gottmensch Jesus Christus ist die Essenz der Offenbarung Gottes, die Essenz des Christentums. Der Gottmensch ist die gesamte Offenbarung, welche zur wahren Gotteserkenntnis führt. Eine Erkenntnis Gottes außerhalb des Gottmenschen gibt es nicht. Und hierin liegt das entscheidende Element, welches das Christentums von jeder Form der Religion abhebt, aber auch die Überwindung der „Religion“ in Christus. Alle religiösen Lehrer und Gründer von Religionen verweisen auf irgendeine Gottheit. Christus verweist auf Sich Selbst (Ich bin…, Ich sage euch…). Die Religionen setzen Bewegung von unten nach oben voraus, Suche Gottes. Der Gottmensch ist der vom Himmel Herabgestiegene (Jh 3,13). Deshalb hat Er auch das Recht zu sagen: Niemand erkennt den Sohn, als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater, als nur der Sohn (Mt 11,27). Christus als Gottmensch ist die liebevolle Bewegung des Dreieinen Gottes zur Welt hin. Einer ist der Dreieine Gott, einer auch der Gottmensch, der Heilsbringer der Welt. Der hl. Gregor Palamas sagt: „Wenn der Logos Gottes nicht fleischgeworden ist, hat sich der Vater nicht wahrlich als Vater gezeigt, der Sohn nicht wahrlich als Sohn, noch der Heilige Geist als aus dem Vater hervorgehend“ (P.G. 151,204).

Indem Christus für Sich Selbst den Titel von Daniel Menschensohn („Sohn des Menschen“, Dan 7,13) erwählt (über 80mal benutzt Er ihn in den Evangelien), legt Er Sein messianisches Selbstbewußtsein als des erwarteten Gottmenschen offen. Genau dies wird Er einer mißverstandenen Gestalt, die von Seiner Gnade erleuchtet wurde, der Samariterin (und späteren Heiligen Photini), eindeutig mitteilen, indem Er ihr sagt: Ich bin es, Ich, der mit dir spricht (Jh 4,26), als sie Ihm die Frage nach der Ankunft des Messias stellte.

Wenn Christus Sich auf Seine Errettungsmission bezieht, charakterisiert Er Sich Selbst als „Weg, Wahrheit, Leben“: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben (Jh 14,6). Dies sagt Er zu Thomas, als dieser den Zweifel ausdrückt: Herr, wir wissen nicht, wohin Du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen? (Vers 5). Als „Weg“ ist Christus der einzige Weg zur Errettung – zur Vergöttlichung (Theosis), der ewigen Verwirklichung des Menschen. Der einzigeMittler (1 Tim 2,5), der die Kluft überbrückt, welche den sündigen Menschen von Gott trennt, und ihm Seinen Frieden spendet („versöhnt“, Röm 5,10 [siehe Fußnote 1 ]). Natürlich nicht, weil Gott plötzlich Stimmungenwechselt. „Der Anfeindende ist nicht Er, sondern wir; denn Gott ist nie feindlich“ (Johannes Chrysostomos, P.G., 61,478).

Deshalb verkündet Christus: Ich bin die Tür; wer durch Mich hineingeht, wird gerettet werden (Jh 10,9). Es ist charakteristisch, daß auch das Christentum von jenem Augenblick an, als Christus Sich Selbst als den Weg zu Gott und zur Rettung bezeichnete, „der Weg“ genannt wurde (Apg 9,2) – der Weg (die Lebensweise) zur Rettung. Es ist die erste bekannte Bezeichnung des neuen Glaubens, bis man die an Christus Glaubenden Christen nannte (Apg 11,25).

Als Wahrheit ist Christus Derjenige, der der Welt die authentische Daseinsform gebracht hat, die zum tatsächlichen Leben, zum wahren Leben führen kann. Natürlich, als Pilatus Christus fragte: Was ist Wahrheit? (Jh 18,30), waren seine Worte nicht ganz genau gewählt. Denn er hätte fragen sollen: „Wer ist die Wahrheit?“ Denn, wie wir weiter oben gesehen haben, setzt Christus die Wahrheit mit Seiner Person gleich. Er ist die verkörperte Allwahrheit (Παναλήθεια)! Weg und Wahrheit verbinden sich untrennbar in Christus. Der Weg zu Gott führt durch die Wahrheit. Wenn der Christus, der von einer christlichen Gemeinde, die den Namen „Kirche“ beansprucht, angeboten wird, nicht der wahre Christus ist – der eine und einzige Gottmensch –, dann ist diese Gruppierung „Häresie“ und kann nicht zur Rettung führen. Dies ist das Drama der Häresien und der Pseudomessiasse der Welt. Dies ist aber auch das Kriterium des christlichen „Dogmas“, des Glaubens, der Lehre der Kirche. Das Dogma ist keine Summe abstrakter „Wahrheiten“, die dem Menschen von oben her aufgezwungen werden. Es ist die Aufzeichnung der Erfahrungen jener Menschen, die sich in der Theosis befinden (θεουμένων) – der Heiligen – und hat therapeutischen Charakter. Es hilft dem Gläubigen, die Rettung auf richtige Weise aufzusuchen und zu ihr geführt zu werden. Christus bekundet über Sich Selbst: Ich bin dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege (Jh 18,37). Das ganze Erlösungswerk Christi ist vielseitige Offenbarung der rettenden persönlichen Wahrheit, Christus Selbst. Dies ist die Orthodoxie unserer Väter. Christus ist die verkörperte Orthodoxie.

Als Wahrheit offenbart Christus nicht nur Gott, denn in Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (Kol 2,9), und Er ist nicht nur vollkommener Gott, wie der Vater und der Geist, sondern offenbart auch den wahren (authentischen) Menschen. Dies deutete Pilatus, ohne daß er es wollte, von der Geistesgabe Gottes bewegt, indem er auf Christus zeigte und sagte: Siehe, der Mensch (Jh 19,5), denn Er ist in der Tat der Mensch, der vollkommene Mensch und das heilbringende Vorbild jedes Menschen.

Christus war als die Wahrheit Selbst auch der Inhalt Seiner Lehre, Seiner prophetischen Predigt. Darum hing das ganze Volk an Ihm und hörte Ihn gern (Lk 19,48). Und dies, denn Er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten (Mt 7,29). Die von den Hohenpriestern und Pharisäern entsandten Gerichtsdiener gestanden: Niemals hat ein Mensch so geredet wie dieser (Jh 7,46). Die Suche nach Allgemeinplätzen in der Lehre Christi erweist sich also als vergebliche Mühe. Seine Lehre läßt sich mit dem Wort keines anderen Lehrers, Religionsführers oder Philosophen vergleichen. Die Stellungnahme: „Das hat auch der und der Philosoph gesagt“, um Christus herabzumindern, zeigt, daß man nur die äußere Hülle der Worte sieht, aber gegenüberdem „Wort Christi“ ignorant bleibt.

Bestimmte Übereinstimmungen einzelner Phrasen beweisen keine allgemeine Identifizierungen. Als Summe ist die Lehre Christi die Offenbarung Seiner einzigartigen Identität und führt entweder zur Annahme Seiner Person als des Heilbringers oder zu Seiner Ablehnung. Überdies ist Seine Lehre mit Seiner Person identisch. Er ist Jener, der zu sagen wagte: Und Ich sage euch…

Sein Wort ist „Samen“ der Gnade („σπόρος“ Χάριτος), der nach der guten Erde sucht, dem reinen Herzen, um Frucht zu bringen (Lk 8,15). Das Wort Christi rettet nicht als eine moralische Ermahnung, sondern weil es unerschaffene Göttliche Geistesgabe ist. Es ist das Wort Gottes. In Ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen (Jh 1,4).

Alles, was in Christus ist, ist Leben. Durch all Seine Heilmittel überträgt Christus Sich Selbst. Er ist „der Darbringende und das Dargebrachte“der Göttlichen Liturgie und Eucharistie. Die drei Begriffe „Weg – Wahrheit – Leben“ als Bezeichnung Christi drücken eine natürliche Folge aus. Christus führt zu Gott, indem Er Sich Selbst als verkörperte Allwahrheit offenbart und somit ins ewige Leben einführt, welches die innere – kardiale Erkenntnis Gottes (Jh 17,3) ist, die Vereinigung mit Ihm.

4. «Befreier und Friedensstifter»

Im Apolytikion des Festes der Begegnung wird Christus als Befreier unserer Seelen bezeichnet, denn Er rettet, indem Er in zwei Richtungen befreiend handelt, innerlich und äußerlich. Erst befreit Er von der inneren Knechtschaft, der Knechtschaft des Teufels und der Leidenschaften. Er reinigt das Herz von der Sünde, damit der Mensch seine innere Einheit und sein Gleichgewicht findet und brüderliche Gemeinschaft mit seinen Mitmenschen verwirklichen kann. Der Prozeß der Rehabilitierung der inneren Einheitlichkeit des Menschen nimmt die Form einer Therapie an. Darum wird Christus in der Göttlichen Liturgie Heiler unserer Seelen und Körper. Kommt der Mensch in den Leib Christi, die Kirche, unterzieht er sich einer „therapeutische Behandlung“ durch die Kraft des Heiligen Geistes, die sich in den Stadien „Katharsis (Reinigung) – Erleuchtung – Theosis“ entfaltet. Damit sich die egozentrische und egoistische Liebe des Menschen in eine uneigennützige verwandelt, muß der Mensch diesem Weg folgen. Er bemüht sich, mit der Gnade Gottes als Helfer und Mitwirker, Seinen Geboten zu folgen, damit das Herz gereinigt und er durch den Heiligen Geist erleuchtet wird. Der Mensch ist berufen, erst „Knecht Jesu Christi“ zu werden, was für den Apostel Paulus ein Ehrentitel war. Willentlich geknechtet unter Christus, befreit er sich von der Knechtschaft der Sünde (Röm 6,18). Die Tragik des Menschen, der nicht bereut, besteht darin, daß er seine Knechtschaft für Freiheit hält und daß er Früchte der Freiheit vom Zustand der Knechtschaft erwartet. Deshalb enttäuschen letztendlich die soziopolitischen Systeme, da sie den Menschen innerlich nicht befreien können.

Christus befreit durch Seine eigene Freiheit (Gal 5,1). Darum ruft Er dazu auf, Seine Wahrheit kennenzulernen – Christus Selbst als Wahrheit –, damit wir befreit werden. Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen (Jh 8,32). Dies bedeutet Teilhabe am geistlichen Leben. Von der inneren Freiheit beginnt in Christo auch jeder Kampf um äußere (soziale und nationale) Frei- heit. Es ist unmöglich, daß einer Freiheit verspricht, während er Sklave des Verderbens ist (2 Petr 2,19). Christus befreit innerlich, um die Welt zu erneuern, ohne Systeme und Manifeste. Dies geschah mit Seiner Fleischwerdung, welche Einführung Seines Lebens, des Christuslebens (Χριστοζωή), in die Welt ist.

Christus fand eine Welt vor, in der der Mensch keinen persönlichen Wert hatte, außer als Mittel für die Zwecke des Staates. Nur der Kreis der freien Bürger besaß soziale Rechte. Es herrschte das Brauchtum des Neonatizides, der Kleinkindtötung, und der Aussetzung von Säuglingen. Die Frau war Eigentum des Mannes und lebte seinetwegen. Philosophen wie Aristoteles hielten das Gesetz der Sklaverei für natürlich. Und all dies waren keine Ausnahmen, sondern gesetzmäßige Gewohnheiten. Der kleine Blitz der Stoiker brachte minimale Ergebnisse, führte außerdem zu weiteren Täuschungen. Durch Christus und in Christo geschah die Erhebung des Menschen, ewig durch die Fleischwerdung des Gottmenschen besiegelt. Der Mensch bekam unsagbaren Wert, erkauft mit dem Blut Christi (1 Kor 5,20). Für den Menschen starb Christus Selbst (Röm 14,15). Nur Christus verkündete, daß die Gesetze dem Menschen dienstbar sind, und nicht dessen Dienstherren, mit Seinem unüberwindbaren Wort: Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen worden und nicht der Mensch um des Sabbats willen (Mk 2,27). Christus glich den Mann und die Frau einander an (vgl. Kol 3,11) und schaffte das „Kinderaussetzen“ ab. Weiterhin brach Er in der Praxis die Ketten der Sklaverei, indem Er den Sklaven aus dem „beseelten Gut“ (Aristoteles) in den lieben Bruder seines Herren (vgl. Brief an Philemon) verwandelte.

Durch die innere Befreiung des Menschen befriedet Christus den Menschen mit sich selbst. Als Gebieter des Friedens (Js 60,17) wird Er zu unserem Frieden, indem Er Seine friedenstiftende Gnade übermittelt, wie es nach der Auferstehung geschah (Friede euch, Jh 20,19). Überdies hatte Er vor Seiner Passion erklärt: Frieden lasse Ich euch, Meinen Frieden gebe Ich euch; nicht wie die Welt gibt, gebe Ich euch (Jh 14,27). Christus Selbst wurde zum Frieden für den Menschen und die Welt. Dies verkündet der Apostel Paulus, der den Empfang des Friedens in Christo erlebte und vom Verfolger zum Apostel wurde. Denn Er ist unser Friede, sagt er. Er ist Derjenige, der die beiden Teile (Juden und Heiden) vereinigte und durch Sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft niederriß. Er hob das Gesetz samt seinen Geboten und Forderungen auf, um die zwei in Seiner Person zu dem einen neuen Menschen zu machen. Er stiftete Frieden… (Eph 2,14). Im bezug auf den Gegensatz von Juden und Heiden, der in Christo in der Kirche überwunden wurde, präsentiert der Apostel Paulus auf erhabenste Art das friedensstiftende Werk Christi, das mit Seiner Geburt beginnt, gemäß der Hymne der Engel Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Friede auf Erden (Lk 2,14). Christus vereinigt uns, verbrüderlicht alle in Seinem Fleische, mit Seiner Fleischwerdung, Seiner Kreuzigung und vor allem in der Göttlichen Eucharistie. Wir essen unseren Gott, um einander nicht aufzufressen…

5. «Besieger des Todes und Lebenspender»

Der heutige Mensch ist nicht mit dem Geheimnis des Todes vertraut. Permanenter Feind des Menschen bleibt der Tod. Der verzweifelte Kampf um die Überwindung des Todes manifestiert sich in den Versuchen der modernen Wissenschaft (Klonen, Kryonik, Immortalität usw.). Und der Apostel Paulus sagt: Der letzte Feind, der entmach-tet wird, ist der Tod (1 Kor 15,26). Aber der Tod wurde bereits „in potentia“ in Christo entmachtet. Der Schlüssel der Überwindung des Todes ist die Auferstehung Christi, der persönliche Sieg des Gottmenschen über den Tod. Christus, von den Toten auferweckt, stirbt nicht mehr; der Tod herrscht nicht mehr über ihn (Röm 6,9).

Der einzige Sieger über den Tod in der Geschichte ist Christus. Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg?, fragt der Apostel Paul (1 Kor 15,55) und ergänzt: Der Stachel des Todes aber ist die Sünde (V. 56). Folglich besiegt den Tod, wer die Sünde endgültig besiegt. Und das ist Christus, der einzige (Gott-)Mensch, Der keine Sünde tat, noch wurde Trug in seinem Munde erfunden (1 Petr 2,22). Wer also die Sünde in Christo besiegt, hat auch am Sieg Christi gegen den Tod teil und an allem, was er ausdrückt. Die Sieger in Christo über den Tod sind die Heiligen. Wer die heiligen Reliquien, z. B. des hl. Spyridon auf Kerkyra (Korfu) oder des hl. Gerasimos auf Kefallinia, sieht, unverwest und wundertätig, versteht, was der Sieg über den Tod und seinen Verfall bedeutet.

Die Auferstehung Christi ist das ontologische Fundament der Kirche. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, so ist euer Glaube nutzlos (1 Kor 15,17). Sie ist aber auch ein hermeneutischer Schlüssel der universellen Geschichte und unseres Lebens. Die Fleischwerdung des Wortes Gottes ist der Eintritt des Ewigen und Unzerstörbaren in die Geschichte. In eine Welt, welche auseinanderfällt und im Verfall verwest, dringt die Ewigkeit ein und offenbart sich, in Christus personifiziert, als Möglichkeit der Überwindung des Todes. Die Auferstehung Christi ist ein definitiver Sieg über den Tod, nicht nur als Kontinuität des biologischen Lebens, sondern als Athanasie, also Fortbestand des Lebens innerhalb der göttlichen Liebe und Gabe. Dies bedeutet das „ewiges Andenken“ („αιωνία η μνήμη“), welches bei Totenandachten und Beerdigungen gesungen wird. Daß der Tote im ewigen Andenken bleibe, d. h. ewig in der Gnade Gottes. Daß er ewig mit Gott sei, wie Christus dem dankbaren Räuber sagte: Noch heute wirst du mit Mir im Paradies sein (Lk 23,43). Ohne Christus ist der Tod schrecklich. Aber Christus entmachtet durch Seinen Tod den, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel (Hebr 2,14). Weder der Tod noch sein „Gebieter“, der Teufel, rufen bei einem Menschen, der in Christo lebt, dem Heiligen, Furcht hervor. Denn er weiß, daß der Tod das Leben in Christo und dessen Fortbestand in der unerschaffenen Gnade Gottes weder zu unterbrechen noch aufzulösen vermag, sondern nur das biologische Leben in dessen Entwicklung in dieser zerstörbaren und vergeblichen Welt.

Unser biologisches und geistiges Leben ist soweit Leben, wie es zu Christus gehört. Und wir gehören zu Christus, wenn wir mit Ihm sterben und auferstehen werden. Unsere freiwillige Passion (Aske-se) und unser freiwilliger Tod mit Christus (vgl. Mt 16,24; Mk 8,34), also die „Nachfolge“ Christi mit Konsequenz – wie es bei den Mönchen der Fall ist – ist der einzige Weg einer Mitbeerdigung und Mitauferstehung mit Christus. An diesem Punkt wird begreiflich, daß das Christentum keine Ideologie oder Philosophie ist, sondern Leben, in aller Tiefe und Breite des Begriffs. Es ist ein Erlebnis. Entweder lebst du in Christo, in einem Leben ständiger Reue, oder du gehörst nicht zu Christus. Die aber Christus Jesus angehören, haben das Fleisch samt den Leidenschaften und Begierden gekreuzigt (Gal. 5,24). Christen sind die mit Christus Mitgekreuzigten, nach dem Bekenntnis des Apostels Paulus: Ich bin mit Christus gekreuzigt worden, und nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir (Gal 2,20). Wie der Tote frei geworden ist von der Sünde (Röm 6,7: er hört damit auf, zu sündigen), so ist auch der „Mitgekreuzigte“ mit Christus für die Sünde schon tot. Dies bedeutet das Wort des Gebetes: „Laß unsere irdischen Glieder ruhen.“ Daß der Mensch es erreicht, nach dem hl. Gregor Palamas, „unfähig zu werden, zu sündigen“! Darum bitten wir Gott darum, uns „den ganzen Tag (Abend) … friedlich und ohne Sünde…“ zu geben. Dies ist möglich, wenn der Mensch durch die Askese mit Christus mitgekreuzigt wird.

Dieses Leben, als Sieg gegen den Tod, die Sünde und den Teufel, brachte Christus in die Welt. Er gründete keine soziale oder wohltätige Institution, sondern Er ruft uns in Seinem Leib, in die Kirche, damit wir ständig den Tod, die Sünde und den Teufel besiegen können. Denn nur dann können wir unseren Mitmenschen wahrlich, also uneigennützig, lieben und eine Gesellschaft der Brüderlichkeit und Liebe gründen. Die Gesellschaften dieser Welt ohne Christus sind konventionell und anonym, da sie diese Möglichkeit nicht haben, denn, indem sie Christus ignorieren oder verachten, bemühen sie sich nicht um sie. Das authentische Leben in der Kirche wird zu einem kontinuierlichen Weg der Auferstehung. Durch die Mysterien (Sakramente) und das spirituelle Leben besiegt der konsequente Christ den Tod kontinuierlich und hat an der Auferstehung Christi teil. Die „Reue“ ist Möglichkeit zum Exodus aus dem Gefängnis unserer toten Natur und Begegnung mit dem auferstandenen Christus. Deshalb lehren unsere Mönche aus ihrer Erfahrung: „Wenn du stirbst, bevor du stirbst, wirst du nicht sterben, wenn du stirbst…“

6. «Herr des Himmels und der Erde»

Beim triumphalen Einzug Christi in Jerusalem, kurz vor Seiner Pas-sion, empfing Ihn das Volk als König und begrüßte Ihn: Hosanna… der König Israels, was bedeutet: „Rette uns, Herr, Israels König.“ Trotz des sicherlich „nationalistischen“ und weltlichen Fundaments dieser Worte, brachte das Volk – durch die Gnade Gottes – eine große Wahrheit zum Ausdruck, denn diese Worte sprachen die wahre Identität Christi an.

Christus ist wahrlich König der Welt, denn Er ist ihr Schöpfer, Heilsbringer und Richter. Er ist König des Neuen Israels, Seiner Kirche. Er ist König, Herr und Gott jedes Gläubigen, den Er dazu ruft und dem Er erlaubt, daß Er in seinem Herzen wohnt (vgl. Apk 3,20). Nach Seiner Auferstehung, also nach Seinem Sieg gegen den Teufel, die Sünde und den Tod, verkündete Christus Seinen Jüngern: Alle Macht ist Mir gegeben im Himmel und auf Erden (Mt 28,28). Der auferstandene Christus ist – und wird so in der Kirche erlebt – Herr des Himmels und der Erde, alles Sichtbaren und Unsichtbaren, das Haupt aller Mächte und Gewalten (Kol 2,10). Vor Seiner Passion fragten die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes Christus: Aus welcher Vollmacht tust Du das und wer hat Dir diese Vollmacht gegeben? (Mt 21,23). Christus antwortete damals nicht (Mt 21,27), denn gefangen in ihrer Leidenschaft gegen Ihn hätten sie Ihn nicht verstehen können. Nun, im Licht der Auferstehung, offenbart Er, daß Seine „Vollmacht“ aus Seiner Auferstehung stammt. Im Maß dieser Vollmacht wird Er am Pfingsttag die Kirche – als Sein Leib – gründen, und mit dieser Vollmacht entsendet Er Seine Jünger, die Welt für Sein Reich herauszufischen (Mt 28,19: Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu Meinen Jüngern…)

Bei Seinem Verhör durch Pilatus erklärte Christus, Sein Reich sei nicht von dieser Welt (Jh 18,36). Dies bedeutet, es ist ein Reich „von anderer Art“, das sich von den Reichen und Gewalten der Welt, wie des Herodes, unterscheidet. Das Reich Christi ist himmlisch, geistig, heilsbringend, denn es bezieht sich auf Seine unerschaffene Gnade (άκτιστος Χάρις). Dort, wo diese angenommen wird, da herrscht auch Sein Reich. Aus dieser Sicht ist Christus König der Könige und Herr der Herren (Apk 19,16) und Seines Reiches wird kein Ende sein (Lk 1,33).

Zu diesem Reich ruft Christus den Menschen. Er kam in die Welt, um in ihr Sein Reich, Seine Gnade, Seine Herrlichkeit, Seine Macht, Seine Liebe auszubreiten. All diese sind synonym und drücken die unerschaffene Energie des Dreieinigen Gottes aus. Er verlangt keine Anhänger und keine Untertanen, sondern Er will befreien und heiligen. Kommt her zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid, und Ich werde euch Ruhe geben (Mt 11,28). Dies ist Seine Einladung. Er fordert auf, Sein himmlisches Reich im Menschen zu etablieren. Das Reich Gottes ist inwendig in euch (Luk. 17,21). Dies bedeutet, daß Er Selbst zusammen mit dem Vater und dem Heiligen Geist im Menschen Wohnung nimmt (Jh 17,24; 14,23).

Der Mensch ist dann Mensch Christi, wenn Gottes Geist in ihm wohnt (Röm 8,9). Er fordert freilich auf (Wer Mir nachfolgen will… Mt 16,24), überläßt aber dem Menschen die Entscheidung. Er schafft keine Illusionen (Die Pforte ist eng, und der Pfad ist schmal, der zum Leben führt, und wenig sind ihrer, die ihn finden, Mt 7,14). Denn die Wahl des Reiches Christi verwirklicht sich als Kampf gegen unsere aufbegehrende Natur, gegen die Tyrannei unserer Instinkte. Und dies erfordert Gewalt gegen die Natur und einen unaufhörlichen Kampf. Dem Himmelreich wird Gewalt angetan, und Gewalttätige reißen es an sich (Mt 11,12). Es ist der einzige Kampf, bei dem Christus „Gewalt“ verlangt – nicht, damit wir jemanden anderen besiegen, sondern unser eigenes verdrehtes Selbst („Der Sieg über sich selbst der erste und höchste unter allen Siegen’’, Demokrit). Für den Eintritt ins Reich Christi ist ein heftiger Kampf nötig, wie das Leben und Verhalten unserer Heiligen beweist. Der einzige Trost, die einzige Linderung ist das Wort unseres Christus: In der Welt seid ihr in Bedrängnis, aber seid guten Mutes, Ich habe die Welt besiegt (Jh 16,33).

Die Hebräer, beeinflußt von ihren nationalistischen und materialistischen Auffassungen vom Messias, konnten einen König wie Christus nicht annehmen, der das Kreuz zum Thron und Sein Martyrium zum Zepter macht. Dies war ein „Skandal“ für die Hebräer, wie es eine „Torheit“ für die Weisen der Welt war (1 Kor 1,23). Als Pilatus daher, beunruhigt über die geplante Verurteilung eines Unschuldigen, fragt: Euren König soll ich kreuzigen?, erhält er die Antwort: Wir haben keinen König außer dem Kaiser (Jh 19,15). Dahin kann jeder Mensch gelangen, in jedem Zeitalter, wenn er den Geist in sich tötet; wenn er innerlich abstirbt und sein Herz versteinert (Mk 3,5). Dies kann auch bei nicht wirklich wiedergeborenen „Christen“ geschehen, die nur äußerlich und dem Namen nach Christus angenommen haben. Ohne lebendiges, geistiges Leben, ohne spirituellen Kampf (Teilnahme am sakramentalen Leben des Leibes Christi), bleibt die Taufe inaktiv. Der Christ muß sich selbst kontinuierlich überprüfen, ob er die Gnade Gottes aktiv in sich hat (2 Kor 13,5: Prüft euch, ob ihr im Glauben seid). Der Christ kann sich nicht auf viele „Könige“ und „Herren“ aufteilen (vgl. Mt 6,24), Christus gegen jeden beliebigen weltlichen „Cäsar“ tauschen oder Christus auf das sogenannte „Geistige“ begrenzen, während er sich in seinen sozialer Entscheidung dem Dienst und der Macht der Herren dieses Äons anschließt.

Die Anerkennung Christi als Einzigem König unseres Lebens bekennen wir, orthodoxe Christen, in der Göttlichen Liturgie: „Ein Heiliger, Ein Herr, Jesus Christus.“ Herr ist der Gottmensch als Gott, und Er ist unser einziger König. Darum offenbaren jedwede Verdrehungen bei diesem Thema – wie die Veränderung der Kirche zu einer Institution weltlicher Macht (Staat) mit einem irdischem König (Papst) und staatlicher Struktur – den Verlust des Sinnes Christi und Seines Reiches. So aber wird das Wort unseres Christus verständlich: Gebt denn dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist (Mt 22,21). Christus akzeptiert, daß die politische Macht von Gott gegeben ist (vgl. Röm 13,1: Es ist keine Macht außer von Gott). Die Macht als Institution (nicht die Personen der Herrschenden) wurde von Gott für die harmonische Bildung der Gesellschaft gegeben. Der Christ ist also zur Achtung gegenüber der Macht verpflichtet, „bei der kein Gebot Gottes behindert wird’’, nach Basileios dem Großen (P.G. 31,860). Als die Hebräer also Christus, in ihrer Absicht Ihm eine Falle zu stellen, das Geldstück des Kaisers vorzeigen, erklären sie indirekt, daß sie die Macht des Kaisers anerkennen, indem sie sein Geldstück verwenden. Während aber das Geldstück dem Kaiser gehört, weil es sein Bild trägt (Mt 22,20), ist der Mensch das Bild Christi. Also gehört er ganz und gar Ihm.

7. «In die Äonen verlängert»

Christus verband Sich nicht nur mit einem Moment der Geschichte, wie es auch bei den wichtigsten Menschen der Fall ist. Christus umfaßt die gesamte Dauer der Geschichte, indem Er vom Anfang bis zu ihrem Ende heilsbringend handelt. Im Zeitalter vor der Fleischwerdung „fleischlos“ und nach Seiner Inkarnation „fleischhaft“. Und nach Seiner Himmelfahrt verließ Er die Welt nicht, wie Er dies Seinen Jüngern versprochen hatte: Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen (Jh 14,18), und: Siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters (Mt 28,20). Am Pfingsttag kehrt Christus „im Heiligen Geist“ zurück und Sein vergöttlichtes „Fleisch“, „ohne Vermischung und ohne Trennung“ mit Seiner menschlichen Natur verbunden, wird zum „Ort“ der Versammlung aller Vergöttlichten, der Heiligen.

Der Fortbestand der Anwesenheit Christi als Heilsbringer in der Welt geschieht durch Seine Kirche. Es gibt keinen anderen Weg der heilsbringenden Begegnung mit Christus außer in der Kirche, Seinem Leib. Mit Seiner Inkarnation „übergab Christus der Kirche Sein Fleisch“ (hl. Nikolaos Kavasilas), und „die Kirche machte Er zu Seinem eigenen Leib“, bemerkt auch der heilige Chrysostomos (P.G. 52,429). Christus verband Sich also untrennbar mit Seiner Kirche, und die Kirche – als Sein Leib – bleibt untrennbar verbunden mit Christus, Der ihr Haupt und ihr Anfang ist, ihr Leben und der Lebenspender. Die Trennung der Kirche von Christus oder Christi von der Kirche ist die furchtbarste Häresie. Denn so „entfleischen“ und „entblößen“ wir Christus, „der für uns Menschen und unseres Heiles willen … Fleisch geworden ist…“. Wir vertreiben Christus aus der Welt und wandeln die Kirche in einen sozialen oder philoso-phischen Verband um. Christus „verlängert Sich in die Äonen“ durch Seine Kirche, denn die Kirche ist die „Folge

Erzpriester Georgios D. Metallinos,

Professor der Universität von Athen,

Dekan der Theologischen Fakultät:

(Aus dem Griechischen ins Deutsche n von

Alexander S. Iliadis, Aachen)


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Du solltest dich an dem, was Gott die gibt, erfreuen
 

„‘Der Alltag erschreckt mich‘, sagen wir. Ja, so ist der Mensch. Er glaubt,  was  für ein schlechtes Ding ist, oh weh, der Alltag! Und er rennt, um etwas Anderes zu finden, etwas Verschiedenes; die Vielfalt soll es sein. Das nimmt kein Ende, und es kommt nichts dabei heraus. Du solltest dich an dem, was Gott die gibt, erfreuen. Du solltest es genießen. Du solltest dich so stellen, dass es nicht so aussieht, als ob du dich beeilen, als ob vorbeikommen willst, als ob du kein Gegenwärtiges beachten würdest. Wir sollten Halt machen; lass uns ein bisschen Verspätung haben.

Sind wir aufgewacht? Wir sollten nicht in jeder Ablenkung verlorengehen, untergehen. Wenn du es als gegeben nimmst, dass das Leben so ist – denn es ist so zu unserem Guten, nicht zum Schlechten -, dann wird es zwar, wo immer du auch hingehst, so gut du die Gegebenheiten des Lebens auch planst und du sie beachtest,   auch Probleme, Schwierigkeiten geben, doch irgendwo in der Nähe wird sich auch der barmherzige Herr befinden, der die Sachen in Ruhe bringt, der Seele süße Küsse gibt, und sie bedient“.



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Orthodoxie und Polis „Suchet der Stadt Bestes”
 

Der Anspruch des christlichen Glaubens ist, keine Lehre, Religion oder Ideologie zu sein, sondern eine Art zu leben, und zwar gut zu leben, „in Fülle”. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben” (Joh. 10, 10). Die Heilige Schrift eröffnet uns Wege des authentischen Lebens, indem sie uns vor Überraschungen und Herausforderungen stellt. Diese Wege betreffen sowohl das Leben eines einzelnen Menschen als auch das Leben einer Gesellschaft, eines Volkes. Die Herausforderungen, mit denen die Menschen in der Bibel konfrontiert wurden, und die Art und Weise, wie sie, unter der Führung Gottes, sich diesen Herausforderungen gestellt haben, zeigt uns den Weg, wie wir uns in unserer Zeit gegenüber den Herausforderungen der Geschichte verhalten sollten. Deshalb werden wir uns jetzt dem konkreten Kontext des bekannten Zitates „Suchet der Stadt Bestes” zuwenden, damit wir uns von Gott überraschen lassen, wie die Israeliten damals auch!

Die Israeliten befinden sich an einem schwierigen Wendepunkt in ihrer Geschichte: ein tief traumatisches Ereignis hat stattgefunden, ihre Hauptstadt, ihre Heilige Stadt, Jerusalem wurde von den Feinden, von den Babyloniern eingenommen und geplündert. Die Mehrheit der Einwohner wurde nach Babylon deportiert, aber was noch schlimmer war, der Tempel wurde geschändet und die heiligen Objekte wurden ebenfalls nach Babylon transportiert. Die Menschen standen unter Schock! In so einer Situation gibt es aber immer wieder Menschen, die leichtfertig, leichtgläubig und zuversichtlich sind, Menschen, die angeblich im Namen Gottes die baldige Rückkehr ihrer Landsleute und der heiligen Objekte aus dem babylonischen Exil voraussagen sollten. Gott sendet aber seinen wahren Propheten, Jeremias, der Klartext spricht: „Denn so spricht der Herr der Heere, der Gott Israels: Lasst euch nicht täuschen von den Propheten, die unter euch sind, von euren Wahrsagern. Hört nicht auf die Träume, die sie träumen. Denn Lüge ist das, was sie euch in meinem Namen weissagen; ich habe sie nicht gesandt – Spruch des Herrn” (Jer. 29, 8-9). Die baldige Rückkehr ist ein Traum; das Exil wird siebzig Jahre dauern. Und was noch bemerkenswerter klingt, die Katastrophe stellt nicht die Niederlage ihres Gottes dar, sondern sie ist gottgewollt! Er übernimmt die Verantwortung dafür! „So spricht der Herr der Heere zur ganzen Gemeinde der Verbannten, die ich von Jerusalem nach Babel weggeführt habe” (Jer. 29, 4)!!!! Dieser Herausforderung folgt die nächste Überraschung: Gott bleibt nicht nur dabei, den Israeliten zu erklären, dass es Sein Wille war, dass sie nach Babylon deportiert wurden, und dass die Zeit ihres Exils ganze siebzig Jahre dauern würde, sondern befiehlt Seinen Leute folgendes Merkwürdige: „Bemüht euch um das Wohl der Stadt (m.a.W.: „Suchet der Stadt Bestes”), in die ich euch weggeführt habe, und betet für sie zum Herrn; denn in ihrem Wohl liegt euer Wohl” (Jer. 29, 7). Er befiehlt, sich um das Wohl Babylons zu bemühen, um das Wohl einer Stadt, die der Inbegriff der Sünde in der Bibel darstellt! Er befiehlt ihnen, für die Hauptstadt ihrer Feinde zu beten!

Gott mischt sich in die Geschichte der Menschen ein. Er identifiziert sich aber keineswegs mit einem bestimmten Volk, er bleibt frei und Herr der Geschichte. Mit den Israeliten hat Er einen besonderen Bund geschlossen. Weil aber die Israeliten diesen Bund nicht berücksichtigten und die soziale Ungleichheit unter ihnen stark wurde, hat Gott aufgehört, sich mit seinem Volk zu identifizieren.

Das Gleiche gilt für uns Christen auch. Wir sind das neue Volk Gottes und wir haben einen neuen Bund mit Ihm durch Jesus Christus abgeschlossen. Dieser Bund repräsentiert das JA-Wort Gottes an die Welt. Er bringt Frieden in die Welt und eröffnet Wege des Lebens für alle Kinder Gottes, für alle Menschen auf der Erde. Teil dieses Bundes ist auch der alte Bund. Er gilt weiterhin und lehrt uns, uns um das Wohl der Stadt, in der wir, egal aus welchem Grund, gerade leben, zu bemühen und für sie zum Herrn zu beten. Das hat die Orthodoxe Kirche in ihrer Liturgie aufgenommen, und bei jedem Gottesdienst betet sie zunächst „für den Frieden der ganzen Welt und die Einigung aller Menschen” und dann „für diese Stadt, dieses Land und für jedes Land”. Aus diesem Grund hat die Orthodoxie eine starke Verbindung mit der Kultur entwickelt. Historisch hat die Orthodoxe Kirche im Rahmen des Römischen Reiches den größten Teil ihrer Geschichte geschrieben, und sich um das Wohl des Reiches und jeder einzelnen Gemeinde dieses sogenannten Byzantinischen Reiches bemüht. Sie hat sich sehr stark mit der Hauptstadt dieses Reiches identifiziert, mit Konstantinoupolis, oder einfach der Polis, die eine ganz besondere Rolle in der Geschichte der Orthodoxie hatte und immer noch spielt. Sie hat dazu beigetragen, dass dieses Reich und diese Stadt Großes für die Weltkultur geschaffen hat. Hervorragende Errungenschaften in Theologie, Philosophie, Wissenschaft und Kunst, hervorragende Persönlichkeiten im Bereich der Kirche, des Mönchtums und der Gesellschaft wurden von dieser Hochzeit der christlichen Überzeugung mit dem Leben und der Geschichte der Einwohner von Byzanz hervorgebracht.

Und trotzdem! Gott hat sich nicht mit diesem Reich oder der orthodoxen Kirche identifiziert. Das Reich ging verloren. Und die orthodoxe Kirche hat jahrhundertelang unter fremden Herrschern leben müssen. Sie hat aber ihre Liturgie nicht geändert: sie betete und bemühte sich immer um das Wohl der Gemeinde, der Stadt und des Landes, wohin sie der Wille Gottes gerade geführt hat.

Die Geschichte führt uns immer wieder vor Herausforderungen und Überraschungen. Den Willen Gottes in der Geschichte zu erkennen bleibt immer eine Aufgabe der Kirche. Das bekannte biblische Wort „Suchet der Stadt Bestes” hat einen konkreten Kontext, der uns vor falschen Interpretationen und vor falschen Sicherheiten und Selbstgerechtigkeiten schützt. Sich um das Wohl der Stadt, bzw. der Gesellschaft zu bemühen ist sehr oft ein Kreuz für uns Christen. Die Gesellschaft könnte auch eine vom Evangelium ganz weit entfernte Gesellschaft sein, und wir, die wir diesen Auftrag von Gott bekommen, sind sehr oft traumatisierte Menschen, Menschen mit Makeln und Schwachheiten. Dieses biblische Wort zeigt uns aber, dass wir auf jeden Fall einen Auftrag gegenüber der Welt, gegenüber der Gesellschaft haben. Und wir Orthodoxen betonen immer wieder auch die Fortsetzung des biblischen Wortes „und betet für sie zum Herrn”, denn ohne Gebet, ohne dieses persönliche Ringen mit Gott, ohne diese Spannung kann man sich nicht authentisch um das Wohl einer Stadt bemühen. Diesen doppelten Auftrag, das Bemühen um das Wohl der Menschen und der Gesellschaft kombiniert mit dem Gebet für sie, versuchen wir als Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland hier in unseren Gemeinden zu erfüllen. Unser Vater, Metropolit Augoustinos, betont immer wieder, bei jedem Besuch einer Gemeinde, dass wir nicht zufällig hierher gekommen sind. Gott wollte, dass wir in diesem schönen und friedlichen Land wohnen und arbeiten, um zum Wohl dieses Landes beizutragen – und mehr noch, für dieses Land beten. Viele orthodoxe Mitbrüder und Mitschwestern in Russland, in Griechenland, in Georgien oder in Bulgarien z.B. verstehen es nicht, warum wir uns als Ökumenisches Patriarchat und als Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland ökumenisch engagieren. Wenn man in seiner eigenen Welt lebt, wie die Israeliten im Heiligen Land vor der babylonischen Eroberung Jerusalems, versteht man nicht, wieso man sich um das Wohl der Feinde bemühen und für sie beten sollte. Gott hat sie nach Babylon geführt, damit sie sich für diesen Auftrag öffnen, damit sie existentiell verstehen können, dass Gott sich nicht mit einem Volk identifiziert, dass Gott Vater aller Menschen auf der Erde ist und sich um das Wohl aller Menschen kümmert.

ORTHODOXIE AKTUELL 6-7/2015 Seite 2-4

von Erzpriester Georgios Basioudis

Orthodoxie und Polis „Suchet der Stadt Bestes”
 

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Das beste Totengedenken für die Entschlafenen

Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994)

Das von allen beste Totengedenken, das wir für die Entschlafenen tun können, ist unser umsichtiges Leben, der Kampf, den wir unternehmen werden, um unsere Fehler abzuschneiden und unsere Seele zu läutern. Denn unsere eigene Freiheit von den materiellen Dingen und von den seelischen Leidenschaften hat außer unserer eigenen Erleichterung als Ergebnis auch die Erleichterung der entschlafenen Vorväter unseres ganzes Geschlechts. Die Entschlafenen empfinden Freude, wenn einer ihrer Nachkommen nahe bei Gott ist. Wenn wir uns nicht in einer guten geistlichen Lage befinden, leiden unsere entschlafenen Eltern, unser Großvater, unser Urgroßvater, alle Generationen. „Sieh, was für Nachkommen wir hervorgebracht haben“, sagen sie und sind bedrückt. Wenn wir jedoch in einer guten geistlichen Lage sind, freuen sie sich, weil auch sie Mitwirkende geworden sind, dass wir geboren wurden, und Gott ist auf eine gewisse Weise ‚verpflichtet’, ihnen zu helfen. Das also, was den Entschlafenen Freude machen wird, ist, dass wir uns anstrengen um Gott mit unserem Leben angenehm zu sein, so dass wir ihnen im Paradies wiederbegegnen und alle im ewigen Leben zusammen leben.

Folglich lohnt sich die Mühe, unseren alten Menschen zu geißeln, damit er neu werde und nicht mehr geschädigt werde, weder von sich selbst noch von anderen Menschen, sondern dass er sowohl sich selbst als auch den anderen hilft, denen, die leben, wie denen, die entschlafen sind.

 

Aus dem vierten Band der Worte des Hl. Paisios des Agioriten, Familienleben, Souroti ³2004, S.279-280. Ins Deutsche übersetzt von p. Martinos Petzolt

Hl. Paisios: Das beste Totengedenken für die Entschlafenen


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Unterweisungen zum Gebet von Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994)


Diesen Text hat Hl. Paisios um 1975 als einen Brief an jemanden geschrieben, der ihn zu diesem Thema gefragt hatte. Er gab ihn einem Besucher zur Post mit, offen und mit der Erlaubnis, ihn zu lesen und zu kopieren. Dieser Besucher hat ihn Konstantinos Giannitsiotis gegeben, der ihn in seinem Buch über Hl. Porphyrios publiziert hat.

 

Eine einfache Art und Weise für das ununterbrochene Gebet, wenn ihr wollt, gebraucht diese auch, die möglicherweise einfachen Menschen hilft, die nicht zur wirklichen Bedeutung der neptischen (asketischen) heiligen Väter durchdringen, und Gefahr laufen, einem Irrtum zu erliegen.

Einige setzen sich (leider) nicht als Ziel das Ablegen des „alten Menschen“ (die Umkehr, die Demut und die Askese als Hilfsmittel zur Heiligung der Seelen), indem sie tief ihre Sündhaftigkeit empfinden, und so ganz natürlich auch die große Notwendigkeit des Erbarmens Gottes spüren, indem sie viele Male das „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner“ mit Schmerz im Herzen sagen und dann die Süße des göttlichen Trostes des süßen Christus im Herzen fühlen.

Aber leider beginnen einige (wie ich erwähnte) mit trockener Askese und streben nach göttlichen Freuden und Erleuchtungen. Sie erhöhen fortlaufend die Zahl der Gebetsschnüre (kombos’chinia) und heiligen sich durch ihre Rechnung, indem sie die Schlussfolgerung (ihrer Heiligkeit) aus den mathematischen Berechnungen der größeren Anzahl ihrer zahlreichen Gebetsschnüre ziehen.

Sie fertigen sich (natürlich) Fussbänke genau nach Maß an und praktizieren auch alles andere: das Beugen des Kopfes zum Herzen, sie regulieren ihren Atem und was sonst noch alles die heiligen neptischen Kallisten und Gregorien der Philokalia geschrieben haben, und dann schaffen sie in sich das Pseudogefühl, sie befänden sich in etwa auf der Höhe dieser Heiligen.

Von dem Augenblick an, in dem sie die Rechnung glauben, erscheint sofort das Tangaláki (der Dämon – eigene Ergänzung des Gerontas, das Wort selbst ist seine Wortschöpfung) und stellt ihnen einen Fernseher (mit seinen Phantasien) auf, und in der Fortsetzung folgen teuflische Prophezeiungen usw. des Irrtums.

Deshalb ist das einzige Sichere die Umkehr (Metanoia), und auf dieser soll jedes geistige Gebäude gebaut werden; und die Umkehr sollen wir ständig von Gott erbitten und nichts anderes außer dieser.

Wir sollten weder um Licht, noch um Wunder, Prophezeiungen, noch um Begabungen bitten, sondern nur um Umkehr. Die Umkehr bringt die Demut, die Demut wird die Gnade Gottes bringen, weil zu den Demütigen die Gnade Gottes verpflichtend kommt. Deshalb ist die Reue unbedingt notwendig für unsere Rettung; und wenn wir sie haben, wird die Gnade Gottes kommen und uns lehren, was notwendig ist zu tun – falls nötig – für die Rettung auch unserer Mitmenschen.

Aus diesem Grund also, den ich bereits erwähnte, (dass wir die Erbarmen Gottes als großes Bedürfnis fühlen), werden wir viele Male das Gebet mit unserem ganzen Herzen sagen, und wir werden (wie ich erwähnte) die Süße der göttlichen Tröstung des süßesten Jesus in unserem Herzen spüren, das Herz, das (dann) auch unseren Geist (nous) fest umarmt haben wird wie auch unser ganzes Sein.

Nur dann ermüdet das Gebet nicht, sondern erquickt, weil wir seinen Sinn verstehen können. Nur dann beten wir ohne uns selbst zu zwingen, aber gezwungen von unserem philotimo (Hochherzigkeit, Ehrgefühl); denn dieses philotimo ergibt die ganze geistige leventia (Lebenstüchtigkeit) mit der Beflügelung des Herzens; und dann endlich bekommt das Herz (so steinhart es auch sei) Risse, und Tränen quellen aus seinen Ritzen (ohne das eine Anstrengung gemacht wurde, Tränen zu vergießen während der Zeit des Gebetes).

Man fühlt also dieses Bedürfnis nach dem Gebet wie ein hungriger Säugling, der sein Mündchen öffnet und in die Umarmung eilt, um gestillt zu werden, und gleichzeitig die große Sicherheit und die mütterliche Zärtlichkeit spürt.

Es bezweifelt niemand, dass der Feind versuchen wird, uns zu bekriegen indem er unsere Gedanken zerstreut. Wenn aber eine kurze patristische Lektüre vorangeht (Evergetinos oder Gerontikon), werden dann die kleinen oder großen Sorgen und die täglichen Versuchungen zugedeckt, und so verwandelt es sich in eine geistliche, andere Atmosphäre, und man betet konzentriert.

Wenn der Feind mit blasphemischen Gedanken Krieg führt (wegen seiner üblichen Bosheit und Missgunst) beunruhige dich nicht, sondern benutze auch den Dämon als deinen Arbeiter auf folgende Weise, mit der du dich nicht erschüttern lässt, sondern du dem Feind sagst: Gut, dass du mir diese Gedanken gegeben hast, damit ich das Gebet sage, weil ich sonst vergesse, ununterbrochen zu beten. Der Feind wird dann sofort verschwinden, weil er gewöhnt ist, nur Böses zu tun. Ich erwähnte das, weil der Feind blasphemische Gedanken (vor allem) den Empfindsamen bringt, um sie noch empfindlicher zu machen, sie zu erschüttern und sie umzuwerfen.

Dasselbe gilt auch für einige, die sich im Nachtgottesdienst über ihre Kräfte und mit Stolz anstrengen; sie sind dann matt und haben nicht die Kraft, die Gedanken des Feindes zu vertreiben und meinen, dass diese blasphemischen Gedanken ihre eigenen sind; und so leiden so ohne Grund, denn sie sind dafür nicht der Grund, sondern der Feind.

Deshalb ist es nötig, dass junge Menschen mit Demut und Unterscheidungsgabe sich um die Übung des Gebetes bemühen und sich in der Nacht (ausgehend vom Tag) vorbereiten, mit Zielbewusstsein, mit Lektüre und mit mäßiger Nahrung, welche hilft und möglichst nicht salzig ist, um das viele Wasser zu vermeiden, weil dieses hinderlich ist durch das Aufblähen, das es verursacht, und so dem Menschen das Gebet erleichtert wird.

Sehr hilft es, wenn das leichte Abendessen, so leicht es auch sein mag, etwa gegen 4 Uhr (europäischer Zeit) nach Väterlesung usw. eingenommen wird oder auch drei Stunden nach der Hauptmahlzeit. Sehr hilft es, dass kleine und große Metanien zwischen jedem Kombos’chini vorhergehen, um das Öl der Maschine aufzutauen; und danach, wenn man etwas müde geworden ist, soll man sich setzen und das Gebet sprechen, nachdem man sich seine Erbärmlichkeit und die großen Wohltaten Gottes, die der gute Gott hat zuteil werden lassen, vor Augen gestellt hat.

Dann sammelt sich der Geist (wie ich anmerkte, in seinem Herzen von alleine) und sucht das Erbarmen Gottes mit seinem ganzen Herzen, mit seiner ganzen Seele und seinem ganzen Verstand, ohne große Mühe zu wahrzunehmen.

Sehr helfen die Stunden nach dem Sonnenuntergang (nachdem man vorhergehend vor dem Sonnenuntergang Väterbücher gelesen hat), die drei Stunden, wie auch nach Mitternacht bis zum Sonnenaufgang. Für junge Leute ist es gut, sich eine Stunde nach Sonnenuntergang schlafen zu legen – mit weniger Gebet -, und aufzustehen nach Mitternacht, um den anstößigen morgendlichen Schlaf zu vermeiden.

Natürlich braucht es Unterscheidungsgabe und die Begleitung durch ihren Beichtvater als Führer, welcher unentbehrlich ist.

Deutsch von p. Martinos Petzolt

Aus: Konstantinos Giannitsiotis: Mit Gerontas Porphyrios. Ein geistliches Kind erinnert sich. Hrsg. v. Heiligen Frauenkloster der Verklärung, Athen-Milesi 2012

Unterweisungen zum Gebet von Gerontas Paisios


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Heiliger Paisios, bitte für uns!



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Die Prozession des ehrbaren Kreuzes, die sieben makkabäischen Jünglinge
 

Unser Herr, seine Kirche laden uns nicht dazu ein, um furchtbare und sonderbare Dinge zu tun, so wie diejenigen, die bei den Olympischen Spielen oder anderswo kämpfen, wo viele Fähigkeiten verlangt werden. Dort sind Kräfte und Kunst und Training erforderlich; eine vollständige Vorbereitung ist dort erforderlich. Die Kirche lädt uns nicht zu solchen Kämpfen ein, damit man eilt, sich zu rechtfertigen: „Ich kann nicht, ich halte es nicht aus, ich habe nicht die Kräfte dazu“.

Die Kirche lädt uns dazu ein, unsere Sünde, unsere Schwächen einzusehen und bewusst zu werden, die Wirklichkeit, die wir in uns haben, dass wir nämlich schwach sind. So will uns der Herr haben, dass wir sind, damit wir uns nicht auf unsere eigenen Kräfte stützen können, sondern alleine auf das, war er uns anbietet und uns gibt. Uns also auf die Kraft stützen, die uns der Herr gibt, die Kraft des Heiligen Geistes und somit siegen.

Aus den geistlichen Unterweisungen des Gerontas Symeon,

Kloster der Heiligen Dreiheit, Panorama-Thessaloniki

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Gebet wie Weihrauch

„Aufsteige mein Gebet wie Weihrauch vor Dir“, singt der Chor, während der Priester das Weihrauchgefäß über den Altar hält und mit der Beräucherung der gesamten Kirche und der darin betenden Gläubigen beginnt. So geschieht es in jedem Abendgebet der orthodoxen Kirche an jedem Tag des Kirchenjahres und überall auf dem Erdkreis. Aus dem Alten Testament stammt dieser Psalmenvers (Ps 141) und wurde schon im Tempel des Volkes Israel jeden Abend gesungen. Denn es heißt weiter: „Das Erheben meiner Hände sei ein Abendopfer, erhöre mich Herr“. In eine 3000jährige Tradition fügt sich jede Beterin und jeder Beter ein, wenn beim Gebet Weihrauch verwendet wird.

Gebet ist wie Weihrauch, der aufsteigt zu Gott, und das Weihrauchopfer ist wie ein Gebet mit erhobenen Händen. Was kann schöner und deutlicher das Gebet sichtbar machen als eine wohlriechende Weihrauchwolke, die im Abendlicht aufsteigt. Dabei spielt sicherlich die antike Vorstellung eine Rolle, dass der Weihrauch das einzige Opfer ist, das wirklich von der Erde in die Höhe entschwindet und auch nicht wieder zurückkehrt, aber einen Wohlgeruch und eine Freude zurücklässt. Auch das Erheben der betenden Hände soll zu Gott gelangen und einen Frieden in der betenden Seele zurücklassen. Denn Gott erhört das Gebet, dessen soll sich der betende Mensch sicher sein.

 

Reinigung und Heiligung

 

Wie der Weihrauch alle üblen Alltagsgerüche verdrängt, kann das Gebet alle Sorgen und Nöte des Alltags vertreiben, wenn die Gedanken sich auf Gott richten und ihm alle Sorgen anvertrauen. Denn er hört das Gebet, und er erhört es auch, weil Gott in seiner übergroßen Liebe nicht einfach nur zuhören kann, ohne zugleich auch zu erhören, wenn es gut für den Menschen ist.

So hat der auf der glühenden Kohle verdampfende Weihrauch seit alters her auch eine reinigende Funktion, die in der Kirche bis heute im übertragenen und symbolischen Sinn erhalten ist. Wenn in den Gottesdiensten die Kirche, die Ikonen, das Evangelienbuch, die heiligen Gaben, das Taufwasser, die Ehekronen (…) und vor allem alle Gläubigen beräuchert werden, bedeutet dies nicht nur eine Ehrung, sondern auch eine Reinigung und vor allem Heiligung. Denn das ist das Ziel jedes Betens und jeden Gottesdienstes, zu reinigen und zu heiligen. Dabei bleibt die Kirche nicht bei den Gegenständen stehen, sondern die Gläubigen selbst sollen gereinigt und geheiligt werden, und alle Gegenstände, Symbolhandlungen, Segnungen und Mysterien (Sakramente) haben als Ziel den Menschen selbst, die Heiligung aller Menschen, die dies von Gott erbitten.

 

Abendliches Räuchern

 

So ist es mehr als ein guter Brauch und eine schöne Gewohnheit, Weihrauch beim Beten zu verbrennen. In der orthodoxen Kirche wird bei allen Gottesdiensten Weihrauch verwendet. Dies ist Aufgabe des Diakons und des Priesters. Besonders empfehlenswert aber ist es, beim täglichen Nachtgebet (Apodeipnon, Komplet) zu räuchern und dabei das ganze Haus zu segnen. Denn hierbei wird nicht das große Weihrauchfass der Kleriker an langen Ketten und mit 12 Glöckchen verziert verwendet, sondern in allen Kirchen, Klöstern und Privathäusern wird eine einfache Weihrauchschale mit Fuß aus Metall oder Ton benutzt.

In jedes Haus soll der Segen Gottes einziehen, und alles Böse und Bedrohliche und alles, was sich am Tage durch Gedanken, Worte und Werke angesammelt hat, verschwinden.

 

Weihrauch aus dem Osten

 

Der in der orthodoxen Kirche verwendete Weihrauch ist gewöhnlich aromatisiert. In sorgsamer Handarbeit wird der rohe arabische Weihrauch mit ätherischen Ölen von Blüten und Pflanzen vermengt, gerollt und in kleine Kügelchen geschnitten. Magnesiumstaub als Trennmittel verhindert, dass sie wieder verkleben. Diese traditionelle und aufwendige Herstellung ist gewöhnlich das Werk von Mönchen, vor allem von Einsiedlern auf dem Heiligen Berg Athos in Nordgriechenland.

Die Auswahl an Düften ist groß. Besonders beliebt sind der Rosenweihrauch sowie festliche Duftkompositionen. Der Weihrauch wird auf glühender Kohle verbrannt. Dafür gibt es kleine runde Schnellzünderkohlen. Wenige Kügelchen auf einer kleinen glühenden Kohle genügen zur Beräucherung mit dem Handgefäß.

Kreuzförmig wird zuerst vor dem Kreuz und den Ikonen (Christusikone, Gottesmutterikone, Heiligenikonen) geräuchert und dann vor den Mitbetenden und schließlich in der ganzen Wohnung. So wird deutlich, dass der Segen von Christus empfangen und dann auf alle Beterinnen und Beter sowie das Haus und alle Hausgenossen übertragen wird.

 

Die glühende Kohle deutet die Reinigung an,

das feste Harz des Weihrauchs die Unvergänglichkeit,

der Rauch das zum Himmel aufsteigende Gebet,

der Duft des Aromas die Freude, die durch die Nase hindurch den ganzen Körper erfüllt und alles Üble vertreibt,

das kreuzförmige Beräuchern den Segen, den Gott schenkt.

Von vater Martinos Petzolt Griechisch-orthodoxer Erzpriester

Gebet wie Weihrauch


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Rote Ostereier
 

Nachdem die Eier in der Osternacht gesegnet und an jeden der Anwesenden am Ende der Osternacht verteilt worden sind, schlagen sich die Gläubigen gegenseitig die Eier auf, indem sie sich dabei grüßen: Christus ist auferstanden – Christos anesti, mit der Antwort: Er ist wahrhaft auferstanden – alithos anesti. Dessen Ei dabei nicht zerbricht, hat als Gewinner die Chance, ein weiteres Ei aufzuschlagen und wiederum den Ostergruß weiterzugeben, bis sein eigenes Ei zerbricht und er es endlich verzehren kann.

Das wirkt vielleicht wie ein Spiel, doch ist es auch ein Ausdruck unbändiger Osterfreude nach der Fastenzeit, in der auch auf die Eier und ähnliche Speisen tierischer Herkunft sieben Wochen lang verzichtet wurde. Das orthodoxe Fasten beschränkt in erster Linie nicht die Menge der Nahrung, sondern ihre Qualität. Strenges veganes Fasten, an Wochentagen sogar ohne Öl, um konsequent auf alle von Tieren stammende Speisen zu verzichten und auch auf das Öl als Geschmacksträger sowie den Wein zur Freude bei den Mahlzeiten, ist eine durchaus harte Übung, die ein asketisches Opfer sein soll, aber auch an das paradiesische Leben erinnert, wo niemand durch Töten sein Leben fristen sollte und nur die Früchte der Bäume und des Feldes den paradiesischen Menschen zur Nahrung gestattet waren. Dieses verlorene Paradies, um das sich der asketische Christ bemüht, wurde nun endgültig wiedereröffnet und geschenkt durch den auferstandenen Christus, deshalb kennt die Osterfreude keine Grenzen. Christus ist auferstanden – Er ist wahrhaft auferstanden.

Ostereier gibt es in allen Varianten, vor allem aus Schokolade, und in den Supermärkten kann man sie schon ab Januar kaufen und ist ihrer bis Ostern bereits überdrüssig geworden. Doch eigentlich sind es die hartgekochten rotgefärbten Hühnereier, die Ostern symbolisieren. Wieviel Symbolik ist schon in diese roten Ostereier hineingelegt oder aus ihnen herausgelesen worden …?

Im Russischen ist gibt es die sprachliche Besonderheit, dass nämlich „schön“ und „rot“ synonyme Wörter sind, weshalb der „Rote Platz“ in Moskau auch als der „Schöne Platz“ übersetzt werden kann und ursprünglich auch so gemeint ist und heißt. Deswegen zelebrieren die russischen Priester an Ostern sogar in roten Gewändern, weil so Schönheit ausgedrückt werden soll, während die klassischen byzantinischen Gewänder eigentlich nur Gold oder Weiß als feierliche Farben kennen, bzw. Purpur als kaiserliche Farbe. Aber die roten Eier kann man nicht mit russischen Sprachbesonderheiten erklären, denn sie sind älter als die tausendjährige russische Orthodoxie. Auch in der viel älteren griechisch-byzantinischen Tradition sind die Ostereier rot, ohne dass rot mit schön synonym wäre.

Am Gründonnerstag kochen die Frauen vor dem langen Passionsgottesdienst mit den 12 Passionsevangelien und der Kreuzaufrichtung in großen Töpfen zusammen mit Farbe oder roten Zwiebelschalen viele Eier und polieren sie anschließend mit Olivenöl glänzend. Wer denkt da nicht mit Schaudern an das Blut Christi, das vom Kreuz herabgetropft ist, um die Menschheit und die ganze Schöpfung zu erretten. Wahrscheinlich freut sich auch Jede zugleich auf Ostern und das neue Leben, das die Eier symbolisieren, auch wenn hartgekochte Eier nicht mehr lebendig sind.

So alt und ursprünglich die griechische Kirche auch ist, die roten Eier sind älter und sogar vorchristlich. Auf allen antiken Märkten des Mittelmeerraumes wurden Eier verkauft, rohe und gekochte. Um sie zu unterscheiden waren die hartgekochten Eier gefärbt, mit roter Farbe. So konnte jeder Irrtum beim Kauf ausgeschlossen werden. Mittlerweile ist es auch hierzulande üblich geworden, gekochte Frühstückseier gefärbt zu verkaufen. Jede den roten Eiern zugesprochene weitergehende Symbolik ist also nachträglich, denn die Existenz roter hartgekochter Eier hatte ursprünglich rein praktische Gründe. So wurde, wie auch bei anderen Traditionen, vorchristliches Brauchtum und Lebensgewohnheit vom Christentum übernommen, neu und tiefer gedeutet und gewissermaßen getauft. Mit dem Christentum hat die Kulturgeschichte der Menschheit nicht begonnen, aber die griechisch geprägte Kultur des Mittelmeerraumes wurde christianisiert und Träger des Christentums. Damit sind spätere und tiefergehende Bedeutungen und Deutungen nicht verboten oder ausgeschlossen, aber sie sind nicht ursprünglich und notwendig, sondern in gewissem Sinne beliebig, und deshalb sollten sie auch nicht überlastet und überzogen werden. Doch trotz dieser nüchternen Erkenntnis bleibt die Freude beim Anstoßen der roten Ostereier: Christos anesti – alithos anesti.

Von p. Martinos

Rote Ostereier


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Christus ist auferstanden! 
Er ist wahrhaftig auferstanden!



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Angst klopfte, der Glaube antwortete, und niemand war da! (Anonym)



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Orthodoxe Einheitf


Mehrsprachige Orthodoxie



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Orthodoxen Gemeinden in Deutschland




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Beichte: Christus schickte Apostel Paul zu einem Beichtvater


Pfarrer Johannes Kostof:

Ein Altvater (Beichtvater) vom Berg Athos in Griechenland sagte: “Die hohe Kunst ist wie man sich selbst rettet, um die Ewigkeit zu gewinnen und für diese Kunst braucht man einen Lehrer. Man kann die Kunst nicht nur aus den Büchern lernen.
Deshalb hat Christus, als er dem Apostel Paul erschien, ihn sofort zu einem Beichtvater, dem Apostel Ananias geschickt. Er sollte ihn belehren und beraten”.

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Der Teufel verfügt über keine Kraft oder Macht über den gläubigen Menschen, der zur Kirche geht, an der Beichte, der Kommunion teilnimmt

Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994)

Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994):

"Der Teufel verfügt über keine Kraft oder Macht über den gläubigen Menschen, der zur Kirche geht, an der Beichte, der Kommunion teilnimmt. Der Teufel bellt solch einen Menschen nur an, gleich einem zahnlosen Hund. Er hat jedoch eine große Macht über den ungläubigen Menschen, der ihm Kraft über sich gab. Solch einen Menschen kann der Teufel auch totbeißen – in diesen Fällen hat er Zähne und quält den Unglücklichen. Die Macht des Teufels, mit welcher er über die Seele verfügt, entspricht den Rechten, die sie ihn über sich gibt".





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Die Orthodoxie in Finnland

Das Christentum erreichte Finnland im Mittelalter zugleich von Westen und Osten. Südwestfinnland wurde von Schweden aus missioniert, in Karelien und Ostfinnland setzte sich aus Nowgorod kommend spätestens um das Jahr 1200 der orthodoxe Glaube durch. Vor allem die Gründung des Klosters Valamo (heute Walaam) auf einer Insel des Ladogasees trieb im 14. Jahrhundert die Ausbreitung des orthodoxen Christentums voran. Im 15. Jahrhundert hatte die orthodoxe Kirche mit der Gründung des Klosters Petschenga (Petsamo) bereits die Eismeerküste erreicht.
Die westlichen Teile Kareliens kamen im 16. und 17. Jahrhundert unter schwedische Herrschaft. Die orthodoxe Bevölkerung war dort Repressalien ausgesetzt; viele konvertierten zum lutherischen Glauben, andere wanderten nach Ostkarelien und die Gegend von Twer aus. Dennoch hat sich bis heute eine orthodoxe Minderheit in Nordkarelien halten können. Ilomantsi, die östlichste Gemeinde des Landes, hat mit 17,4 % den höchsten orthodoxen Bevölkerungsanteil Finnlands.
Als Finnland 1809 zu einem Großfürstentum unter russischer Herrschaft wurde, förderten die russischen Herrscher die orthodoxe Kirche in Finnland. Zu dieser Zeit entstanden zahlreiche orthodoxe Kirchenbauten, etwa 1869 die Uspenski-Kathedrale in Helsinki, das größte orthodoxe Sakralgebäude in der westlichen Welt. Während der russischen Herrschaft bildeten sich mit dem Zuzug von russischen Beamten und Militärs auch orthodoxe Gemeinden in den Großstädten des Landes, deren Nachkommen, die sogenannten „alten Russen“, heute rund 3000 Köpfe zählen.[3] Anfangs unterstanden die Orthodoxen Finnlands dem Metropoliten von Sankt Petersburg, 1892 wurde das orthodoxe Bistum Finnland gegründet. Innerhalb des Bistums stritten sich die finnischen bzw. karelischen Gläubigen mit den russischen um die liturgische Sprache (Finnisch oder Altkirchenslawisch) und die Stellung der Kirche.

Nach der finnischen Unabhängigkeit im Jahr 1917 wurde die Orthodoxe Kirche Finnlands 1921 von der Russisch-Orthodoxen Kirche gelöst und zu einer autonomen Kirche, die dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel unterstellt ist.
Als Finnland nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg große Teile Kareliens an die Sowjetunion abtreten musste, wurden auch zehntausende orthodoxe Karelier umgesiedelt und über ganz Finnland verstreut. Auch die Mönche des Inselklosters Valamo im Ladogasee flohen vor dem sowjetischen Vormarsch nach Westen und gründeten in Heinävesi das Kloster Uusi Valamo („Neues Walaam“). Eine weitere orthodoxe Gruppe, die 1945 ins finnische Kernland floh, sind die rund 400 Skoltsamen in der Gemeinde Inari. Seit 1990 hat sich die Anzahl der orthodoxen Christen durch die Einwanderung von „neuen Russen“ aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion deutlich erhöht.

Bistümer und Gemeinden der Orthodoxen Kirche Finnlands

Die Zahl der orthodoxen Gotteshäuser in Finnland beträgt ca. 140. Die Kirche verfügt auch über zwei Klöster, Uusi-Valamo und das Nonnenkloster Lintula, beide in der Gemeinde Heinävesi. Ca. 140 orthodoxe Pfarrer und ca. 40 Kantoren halten in diesen Räumlichkeiten ständig Gottesdienste in finnischer Sprache. Andere Sprachen, wie schwedisch, englisch, griechisch, russisch oder kirchenslawisch werden selten und nur bei Bedarf verwendet.
Von 1918 bis 1988 wurde der Klerus zuerst in Sortavala, dann in Helsinki und zuletzt in Kuopio ausgebildet. Das Priesterseminar zu Kuopio wurde 1988 geschlossen und das Studium an die Universität Joensuu verlagert. Hier wurde in der Nähe der Universität ein neues kleines Seminar mit eigener Bibliothek errichtet.


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Christlich-Orthodoxes Informationszentrum e.V.


Der Verein Christlich-Orthodoxes Informationszentrum e.V. hat das Ziel, sowohl Orthodoxe Christen, wie auch andere Menschen über die Orthodoxe Kirche und ihr kulturelles und geistliches Erbe zu informieren. Auf dieser Webseite finden sich Informationen über den Verein, verschiedene Projekte und Webseiten, sowie aktuelle Nachrichten und Termine über die Orthodoxe Kirche im deutschsprachigen Raum.

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Der Mensch muss Buße tun, zur Beichte gehen

Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994)

Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994):

Der Mensch muss Buße tun, zur Beichte gehen, dem Teufel die Rechte entziehen, die er ihm selbst gegeben hat. Nur danach geht der Teufel weg, sonst wird der Mensch leiden. Egal, ob man den ganzen Tag lang oder zwei ihn exorziert, oder über Monate, Wochen oder Jahre hinweg – hat der Teufel Macht über den Armen und geht nicht weg.


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Das orthodoxe Wiedererwachen in Rußland im Vergleich zum Westen

Priestermönch Seraphim Rose, Kalifornien, USA (+1982)


Auszug aus: Der Königsweg in der Postmoderne-Priestermönch Seraphim Rose. Edition Hagia Sophia

Der Kollaps der Ideologie

Als erstes sehen wir in Rußland den Zusammenbruch einer allgemein geglaubten Ideologie, auf der die Gesellschaft gründet und die sie in Gang hält. Der Beginn des religiösen Erwachens in Rußland wird unabänderlich von einem Verlust an Vertrauen und an Glauben in den Kommunismus begleitet — und dieser vorerst nicht als politisches und ökonomisches System, sondern als ein Glaube. Dies ist natürlich, weil der erste Artikel des kommunistischen Glaubens der Atheismus ist, jene „Staatsreligion“ der UdSSR, die nur als Ersatz für den Glauben an Gott Sinn macht. Glaube an Gott ist natürlich mit Unglauben gegenüber dem Atheismus und dem Kommunismus verbunden und gerade deshalb ist das religiöse Wiedererwachen in Rußland heute nicht etwas schlichtweg Persönliches, sondern es nimmt den Charakter einer nationalen Bewegung an.

Auf den ersten Blick mag es den Anschein haben, daß unsere Situation im Westen nicht sehr anders ist. Auch im Westen sehen wir den Kollaps der allgemein geglaubten Ideologie des Fortschritts, der Demokratie und der so genannten „Aufklärung“ — eine verweltlichte Religion, die bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts fraglos von jedermann in Amerika und im westlichen Europa angenommen worden ist. Die „Beat-“ und „Hippie“-Bewegung der 50er und 60er Jahre waren nur der Anfang für eine Haltung der Desillusionierung, die jetzt in der westlichen Gesellschaft weit verbreitet ist — und dies so sehr, daß ein Sprecher wie Solschenizyn dem Westen frei heraus sagen kann, er habe den Willen verloren, gegen den Kommunismus zu kämpfen, weil wir keinen Glauben in unser System haben, der tief genüg wäre.

Endstation der Zivilisation

Zusammen mit dem Verlust des Vertrauens in eine allgemein geglaubte Ideologie ist sowohl in Rußland als auch im Westen die Empfindung gereift, daß die Zivilisation an eine Endstation gelangt ist. In Rußland ist da das Gefühl, der Kommunismus sei am Ende als eine Macht, die nur noch eine kleine Gruppe unbarmherziger Fanatiker begeistern kann und daß der Kommunismus nur noch als nackte Kraft aufrecht bleibt — in der Armee und in der geheimen Staatspolizei. Im Westen ist das Fehlen des Willens, was Solschenizyn richtig diagnostiziert hat, ein direktes Ergebnis des Gefühls, daß der Westen keine Ideologie mehr hat, für die es zu sterben wert wäre.

Suche nach dem Glauben

Schließlich haben der Zusammenbruch der allgemein geglaubten Ideologie und die Empfindung der Endstation, wozu dies führt, sowohl Rußland als auch den Westen zu einer Suche gebracht, um in der Form eines religiösen Glaubens daraus herauszufinden. Es gibt zweifelsohne mehr Interesse an Religion, mehr Gespräche (über das Christentum wie über nicht christliche Religionen) sowohl in Rußland als auch in der freien Welt als je zuvor seit Jahrhunderten. Von diesen Gesprächen beziehen sich in Rußland wahrscheinlich die meisten auf die Orthodoxie. Auf diese Bewegung des religiösen Wiedererwachens möchte ich unsere Aufmerksamkeit nun lenken, und dabei zunächst auf Rußland und danach darauf schauen, wie Rußlands Erfahrung uns im Westen betrifft.

Eine typische Bekehrung

Laßt uns zuerst auf die Bekehrung eines Menschen in Rußland schauen. Die wir zur Orthodoxie bekehrte Konvertiten sind, können wir unsere eigene Erfahrung, zum Glauben zu kommen, mit dieser typischen Bekehrungserfahrung in Sowjet-Rußland vergleichen und in Kontrast stellen. Und jene, die „orthodox geboren“ sind, können umso mehr lernen, den Glauben als Schatz zu bewahren, wenn ihr seht, durch welche Qualen ein Mensch oft geht, um ihn zu finden. Dies ist die Erfahrung von Juri Maschkov0, ein vor drei Jahren aus Rußland emigrierter. Er wurde eingeladen, anläßlich des Russia Orthodox Labor-Day Conference in New Jersey im Jahre 1978 zu sprechen, gerade drei Monate, nachdem er in Amerika angekommen war. Ich werde einen Teil seiner Rede zitieren und dabei meine Kommentare dazu abgeben. Er beginnt damit, als er eingeladen wurde, eine Rede zu halten, „bin ich verstört gewesen. Es schien mir, daß ich euch nichts zu sagen habe. Die erste Lebenshälfte verbrachte ich als Student und die zweite Lebenshälfte brachte ich in Gefängnissen und politischen Konzentrationslagern im Gulag zu. Was kann ich den Leuten schon sagen, die gebildeter als ich sind, die ja selbst besser über die Ereignisse in der Sowjetunion informiert sind?“

Bereits hier tritt ein schlagender Kontrast zur Erfahrung von uns westlichen Konvertiten, aber auch der meisten Russen im Westen, auf. Für gewöhnlich haben wir viele Bücher über die Orthodoxie gelesen (wenn wir an unserem Glauben interessiert sind), und wir haben ein breites theoretisches Wissen darüber. Sodann haben wir eine sichere Kindheit und keine Erfahrung mit Repression oder mit dem Gefängnis gemacht. Doch ist dies ein Mensch, der unfreiwillig spricht, und dies nicht aus Bücherwissen und nach einer sicheren Vergangenheit, sondern schlicht aus seiner eigenen Erfahrung im Leiden. Bereits hier können wir etwas lernen.

Er fährt fort: „Darum habe ich mich entschlossen, meine Rede nicht niederzuschreiben, sondern zu sagen, was auch immer Gott mir in meine Seele eingibt. Und als wir dann aus Bridgeport, Connecticut, forteilten in einem prächtigen Auto über die erstaunlichen Autobahnen inmitten einer üppigen Natur, da begriff ich, daß mein ganzes im Geistlichen quälendes Leben im kommunistischen ‚Paradies‘, mein Weg vom Atheismus und vom Marxismus zum orthodoxen Glauben und zum russischen Nationalismus hin die einzige Information mit Wert ist, die euch interessieren kann. Mein Leben ist nur insofern von Interesse, als es ein Tropfen in den Ozean der religiösen und nationalen Wiedergeburt Rußlands ist.“

Auch hier können wir im Westen einen großen Unterschied zu unserer eigenen Erfahrung empfinden. Einige dieser Punkte mögen wie kleine Details erscheinen, doch sie offenbaren unseren geistlichen Zustand sehr. Wir im Westen haben gelernt, prächtige Autos, Autobahnen und die schöne Natur als gegeben hinzunehmen — wir würden keinen Kommentar über dergleichen abgeben. Doch solche Dinge, welche die Annehmlichkeit des Lebens in unserem Amerika darstellen, sind in der Sowjetunion unbekannt. Kürzlich sprach ich mit einer Emigrantin aus der UdSSR, und sie sprach von einer Verlogenheit und vom Verbrechen im heutigen Rußland, was uns in der freien Welt nahezu unbegreiflich ist: Sie liegt darin, daß ein Schriftsteller schön über die Blumen auf einem Feld sprechen und dabei die Tatsache verschweigen kann, daß dieses Feld der Ort von Folter und Ermordung unschuldiger Leute war. Ganz Rußland ist mit solchen Plätzen übersät. Und an einem dieser Orte, beim Konzentrationslager von Solovki werden die Touristen gewarnt, „auf den Wegen zu bleiben“ —, weil einige davon weggegangen sind und unerwartet menschliche Knochen fanden, die aus der Erde herausragten —, Überreste von Tausenden, die dort ermordet wurden. Wenn dies die Erfahrung eures Landes ist, dann könnt ihr euch nicht mit prächtigen Autos, Autobahnen und der Natur wohl fühlen. Dann ist da ein Schmerz in eurer Seele, der nach etwas Tieferem sucht.

„Ich wurde (fährt er fort) im blutigen Jahr 1937 im Dorf Klishev geboren, fünfundvierzig Kilometer von Moskau entfernt (in der Gegend von Ryazan). Mein Vater war von Beruf Schmied und starb im Krieg. Ich habe keine Erinnerungen an ihn. Meine Mutter arbeitete an mehreren Stellen, und sie war der Religion gegenüber gleichgültig. Ja, meine Großmutter war religiös, doch sie hatte in meinen Augen keine Autorität, weil sie vollauf Analphabetin war. Selbstverständlich wurde ich als Kind getauft, doch in meinen Schuljahren nahm ich mein Kreuz ab und bis zum Alter von 25 Jahren war ich überzeugter Atheist. Nachdem ich die siebenjährige Primarschule absolviert hatte, hatte ich das gut Glück, in Moskau in die höhere Schule für Kunst und Industrie einzutreten (in die frühere Stroganov Schule). Dort studierte ich fünf Jahre von sieben. So hat mein Leben äußerlich sehr erfolgreich begonnen … Mit der Zeit sollte ich das Diplom eines Künstlers erlangt haben und imstande, überall zu arbeiten, wo ich wollte.“

Dies ist ein typisches sowjetisches Leben — doch wie ernüchternd im Vergleich zu unserem wohl behüteten Leben in Amerika! Geboren in den „blutigen“ Jahren, nicht eines Krieges mit einem äußeren Feind, sondern von Stalins Säuberungsaktionen und Liquidationen, hat er den Vater im Krieg verloren und wuchs in einer Atmosphäre des Atheismus auf (wenn auch mit Erinnerungen an die orthodoxe Vergangenheit, insbesondere an die Taufe). Er hatte eine gute Zukunft in Aussicht in jenem sowjetischen Schulsystem, das so sehr auf Wettbewerb ausgerichtet ist. Dies alles ist eine weitaus andere Erfahrung als diejenige der Jugend unserer westlichen Welt. Doch dann stieß ihm etwas zu.

„Doch das langweilige Sowjetleben und die fehlende geistliche Befriedigung ließen mir keine Ruhe. Irgendwann am Ende des Jahres 1955, als ich 19 war, geschah etwas äußerlich Bemerkenswertes, das mein Leben auf den Kopf stellte und mich (schließlich) hierher brachte. Dieses Ereignis geschah in meiner Seele und bestand aus der Tatsache, daß ich begriff, in welcher Art Gesellschaft ich da lebte. Ungeachtet aller nackten sowjetischen Propaganda verstand ich, daß ich unter einem Regime absoluter Rechtlosigkeit und bedingungsloser Gewalt lebte. Sehr viele Studenten kamen zu jener Zeit zur selben Schlußfolgerung wie ich und mit der Zeit traten jene in Erscheinung, die wie ich dachten. Wir alle erachteten es als unsere Pflicht, den Leuten unsere Entdeckung mitzuteilen und irgendwie gegen den Triumph des Bösen zu handeln.“

Hier ist etwas Ähnliches mit der idealistischen Jugend im Westen und hier ist das Erwachen eines Bewußtseins für Wahrheit und höhere Werte, wie es in diesem Alter allgemein erfahren wird — mit der wichtigen Ausnahme, daß der Hintergrund dieser Erfahrung in Rußland ein schwieriges Leben, Leiden und Terror ist, während im Westen für gewöhnlich ein voller Bauch, ein leichtes Leben und eine Fülle von Freizeit vorherrscht. Im Westen hat diese jugendliche Erfahrung aus unterschiedlichen Gründen zu den zahlreichen Demonstrationen in den vergangenen Jahrzehnten geführt, einige von ihnen von äußerst niedrigem und unwürdigem Niveau. In der UdSSR ist das Ergebnis indes ein anderes.

„Doch der KGB schaut sorgsam nach allen Bürgern der UdSSR. Und als wir uns am 7. November 1958 zu einem Organisationstreffen versammelten (ich war damals 21 Jahre alt), um die Frage nach einem Untergrund-Samizdat zu entscheiden, wurden sechs von uns verhaftet und alle, die nicht bereuten, erhielten die Höchststrafe wegen anti-sowjetischer Agitation — jeder sieben Jahre Konzentrationslager. So begann in meinem Leben ein neuer Weg.“

Es sollte vermerkt werden, daß nichts über irgendeine religiöse Bekehrung gesagt wird. Dies ist immer noch jugendlicher Idealismus darüber, im Gulag auf die Probe gestellt zu werden.

„Alle zehn waren wir Atheisten und Marxisten des Lagers ‚Euro-Kommunist‘. Das heißt, wir glaubten, der Marxismus in sich selbst, sei eine wahre Lehre, welche die Leute in eine lichte Zukunft führte, ins Reich der Freiheit und der Gerechtigkeit. Und die Kriminellen aus Moskau wollten diese Lehre nur nicht im Leben anerkennen. Im Konzentrationslager erstarb diese Idee vollständig und auf immer in uns.“

Und jetzt beginnt die geistliche Wiedergeburt.

„Ich möchte etwas vom Prozeß der geistlichen Wiedergeburt offen legen, damit ihr sehen könnt, wie unfehlbar er in den Russen vor sich geht. Nicht nur ich und jene mit mir waren es, die jenen geistlichen Weg vom Marxismus zum religiösen Glauben durchmachten … Dies ist eine typische Erscheinung der sowjetischen Konzentrationslager.“ (Er erwähnt Vladimir Osipov und Diakon Barsanufi Haibulin als Beispiele jener, die als Atheisten in die Konzentrationslager kamen und sie als orthodoxe Gläubige verließen.) „Was geht mit diesen Russen vor sich? Der Prozeß der geistlichen Wiedergeburt hat zwei Stufen. Zunächst erwägen wir die Essenz des Marxismus und werden von jeglichen Illusionen diesbezüglich befreit. Unter einer tiefgreifenden und gedankenreichen Analyse entdecken wir, daß der Marxismus in seiner Essenz eine Lehre des vollständigen Totalitarismus ist, das heißt, absolute kommunistische Sklaverei. Und wenn sie einmal die Verwirklichung des marxistischen Programms unternommen hat, wird jede kommunistische Partei in jedem Land gezwungen zu wiederholen, was die Moskauer Kommunisten getan haben und tun, oder sie muß dem Marxismus eine Absage erteilen und sich selbst liquidieren. Wenn wir diese schlichte Wahrheit einmal verstanden haben, verlieren wir die ideologische Basis, mit welcher wir uns der marxistischen Sklaverei widersetzten.“

Diese Erfahrung ist nicht viel anders als das, was im Westen geschieht, wenn eine junge Person ihre Illusionen in Bezug auf Demokratie und Fortschritt verliert, auch wenn dies für gewöhnlich eine weniger extreme Erfahrung ist, als das was in Rußland geschieht, wo der Kommunismus praktisch „Staatsreligion“ ist. Doch die nächste Stufe der „geistlichen Wiedergeburt“ geschieht in Rußland unter ganz anderen Umständen.

„Wenn wir ins Lager kommen, sind wir Russen von Feinden umgeben, weil die Nationalisten jeglicher Färbung (Ukrainer, Balten, Armenier, Usbeken und andere) die historische Einzigartigkeit der marxistischen Diktatur nicht begreifen, gehen sie den Weg des geringsten geistigen Aufwands und identifizieren die internationale Macht (des Kommunismus) mit der orthodoxen Monarchie und klagen uns Russen des Chauvinismus an. So gibt es nirgends Rettung: Einerseits vernichten uns die Kommunisten, andererseits bereiten die Nationalisten das Gleiche für uns vor. Wenn wir aus dem Lager befreit sind, sind unsere Aussichten so, wie wir es keinem Feind wünschen möchten: Entweder ins Lager zurückzugehen um für den Rest unseres Lebens dort zu bleiben oder in einem psychiatrischen Gefängnis zu sterben oder sich durch die Tschekisten ohne Gerichtsverfahren und Untersuchung ermorden zu lassen.

In dieser Verfassung der geistlichen Krise ohne Ausweg kommt unausweichlich die Hauptfrage zum Weltbild auf: Wozu lebe ich, wenn es keine Rettung gibt? Und wenn dieser angsterfüllte Augenblick kommt, fühlt ein jeder von uns, daß der Tod ihn schon an der Gurgel gepackt hat: Wenn keine Antwort irgendeiner Art kommt, gelangt das Leben zu einem Ende, weil ohne Gott nicht nur ‚alles erlaubt ist‘, sondern das Leben selbst keinen Wert und keinen Sinn hat. Ich sah im Lager, wie Leute ihren Verstand verloren und im Selbstmord endeten. Und ich selbst spürte deutlich, wenn ich nach alledem zur unverrückbaren und endgültigen Schlußfolgerung kommen sollte, daß es keinen Gott gibt, dann bin ich schlicht verpflichtet, im Selbstmord zu enden, weil es für ein Geschöpf mit Vernunft schändlich und herabsetzend ist, ein sinnloses und peinigendes Leben auszustehen. So entdecken wir auf der zweiten Stufe der geistlichen Wiedergeburt, daß der Atheismus bis zu seinem logischen Ende gedacht einen Menschen unausweichlich ins Verderben bringt, weil es eine Lehre der Unsterblichkeit, des Bösen und des Todes ist.“

Diese Erfahrung ähnelt auch dem, was gewisse westliche Konvertiten erfahren haben. Doch die Dringlichkeit der Situation auf Leben und Tod, in der er sich vorfand, von Angesicht zu Angesicht mit dem sowjetischen Terrorapparat, ergreift eine tiefere Ebene, als wir hier es je erfahren haben.

„Ein tragisches Ende (Selbstmord oder Irrsinn) wäre auch mein Los gewesen, wenn zu meinem Glück sich am 1. September 1962 nicht das größte Wunder in meinem Leben ereignet hätte. An jenem Tag geschah nichts, es gab keine Impulse von außen. Ganz allein dachte ich über mein Problem nach: ‚Sein oder nicht sein?‘ Zu jener Zeit hatte ich mir schon hinlänglich vergegenwärtigt, daß der Glaube an Gott rettet. Ich wollte wirklich sehr an Ihn glauben. Doch ich konnte mich nicht täuschen: Ich hatte keinen Glauben.

Und plötzlich kam da eine Sekunde, als ich zum ersten Mal irgendwie sah (als ob sich eine Tür geöffnet hätte aus einem dunklen Raum heraus auf eine sonnige Straße), und in der nächsten Sekunde wußte ich schon mit Sicherheit, daß es Gott gibt und daß Gott jener Jesus Christus der Orthodoxie ist, und nicht ein Hindu, ein Buddhist, ein Jude oder ein anderer Gott. Ich nenne diesen Augenblick das größte Wunder, weil dieses genaue Wissen nicht zu mir kam durch räsonieren (das weiß ich sicher) sondern irgendwie anders. Und ich bin außerstande, diesen Augenblick rational zu erklären … Und durch ein solches Wunder begann mein geistliches Leben in Konzentrationslagern und Gefängnissen und in einer erzwungenen Emigration. Ich hoffe, Gott wird mir helfen, all die Schwierigkeiten eines Emigrantenlebens zu ertragen.

Und dieser ‚Augenblick des Glaubens‘, dieses größte Wunder wird jetzt in Rußland von Tausenden erfahren und nicht nur in Konzentrationslagern und Gefängnissen. Igor Ogurtsov, der Gründer der Social-Christian Union kam nicht in den Lagern zum Glauben, sondern an der Universität. Die religiöse Wiedergeburt ist ein typisches Phänomen im zeitgenössischen Rußland. Alles, was geistlich lebendig ist, kehrt unausweichlich zu Gott zurück. Und es ist absolut offensichtlich, daß ungeachtet der ganzen Macht der kommunistischen Politik ein solches rettendes Wunder nur vom allmächtigen Gott vollzogen werden kann, Der das russische Volk nicht in schrecklichem Leiden und in scheinbarer vollständiger Verteidigungslosigkeit gegenüber den vielen Feinden gelassen hat.“

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Unterweisungen zum Gebet von Hl. Paisios


Diesen Text hat Vater Paisios um 1975 als einen Brief an jemanden geschrieben, der ihn zu diesem Thema gefragt hatte. Er gab ihn einem Besucher zur Post mit, offen und mit der Erlaubnis, ihn zu lesen und zu kopieren. Dieser Besucher hat ihn Konstantinos Giannitsiotis gegeben, der ihn in seinem Buch über Gerontas Porphyrios publiziert hat.

Eine einfache Art und Weise für das ununterbrochene Gebet, wenn ihr wollt, gebraucht diese auch, die möglicherweise einfachen Menschen hilft, die nicht zur wirklichen Bedeutung der neptischen (asketischen) heiligen Väter durchdringen, und Gefahr laufen, einem Irrtum zu erliegen.

Einige setzen sich (leider) nicht als Ziel das Ablegen des „alten Menschen“ (die Umkehr, die Demut und die Askese als Hilfsmittel zur Heiligung der Seelen), indem sie tief ihre Sündhaftigkeit empfinden, und so ganz natürlich auch die große Notwendigkeit des Erbarmens Gottes spüren, indem sie viele Male das „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner“ mit Schmerz im Herzen sagen und dann die Süße des göttlichen Trostes des süßen Christus im Herzen fühlen.

Aber leider beginnen einige (wie ich erwähnte) mit trockener Askese und streben nach göttlichen Freuden und Erleuchtungen. Sie erhöhen fortlaufend die Zahl der Gebetsschnüre (kombos’chinia) und heiligen sich durch ihre Rechnung, indem sie die Schlussfolgerung (ihrer Heiligkeit) aus den mathematischen Berechnungen der größeren Anzahl ihrer zahlreichen Gebetsschnüre ziehen.

Sie fertigen sich (natürlich) Fussbänke genau nach Maß an und praktizieren auch alles andere: das Beugen des Kopfes zum Herzen, sie regulieren ihren Atem und was sonst noch alles die heiligen neptischen Kallisten und Gregorien der Philokalia geschrieben haben, und dann schaffen sie in sich das Pseudogefühl, sie befänden sich in etwa auf der Höhe dieser Heiligen.

Von dem Augenblick an, in dem sie die Rechnung glauben, erscheint sofort das Tangaláki (der Dämon – eigene Ergänzung des Gerontas, das Wort selbst ist seine Wortschöpfung) und stellt ihnen einen Fernseher (mit seinen Phantasien) auf, und in der Fortsetzung folgen teuflische Prophezeiungen usw. des Irrtums.

Deshalb ist das einzige Sichere die Umkehr (Metanoia), und auf dieser soll jedes geistige Gebäude gebaut werden; und die Umkehr sollen wir ständig von Gott erbitten und nichts anderes außer dieser.

Wir sollten weder um Licht, noch um Wunder, Prophezeiungen, noch um Begabungen bitten, sondern nur um Umkehr. Die Umkehr bringt die Demut, die Demut wird die Gnade Gottes bringen, weil zu den Demütigen die Gnade Gottes verpflichtend kommt. Deshalb ist die Reue unbedingt notwendig für unsere Rettung; und wenn wir sie haben, wird die Gnade Gottes kommen und uns lehren, was notwendig ist zu tun – falls nötig – für die Rettung auch unserer Mitmenschen.

Aus diesem Grund also, den ich bereits erwähnte, (dass wir die Erbarmen Gottes als großes Bedürfnis fühlen), werden wir viele Male das Gebet mit unserem ganzen Herzen sagen, und wir werden (wie ich erwähnte) die Süße der göttlichen Tröstung des süßesten Jesus in unserem Herzen spüren, das Herz, das (dann) auch unseren Geist (nous) fest umarmt haben wird wie auch unser ganzes Sein.

Nur dann ermüdet das Gebet nicht, sondern erquickt, weil wir seinen Sinn verstehen können. Nur dann beten wir ohne uns selbst zu zwingen, aber gezwungen von unserem philotimo (Hochherzigkeit, Ehrgefühl); denn dieses philotimo ergibt die ganze geistige leventia (Lebenstüchtigkeit) mit der Beflügelung des Herzens; und dann endlich bekommt das Herz (so steinhart es auch sei) Risse, und Tränen quellen aus seinen Ritzen (ohne das eine Anstrengung gemacht wurde, Tränen zu vergießen während der Zeit des Gebetes).

Man fühlt also dieses Bedürfnis nach dem Gebet wie ein hungriger Säugling, der sein Mündchen öffnet und in die Umarmung eilt, um gestillt zu werden, und gleichzeitig die große Sicherheit und die mütterliche Zärtlichkeit spürt.

Es bezweifelt niemand, dass der Feind versuchen wird, uns zu bekriegen indem er unsere Gedanken zerstreut. Wenn aber eine kurze patristische Lektüre vorangeht (Evergetinos oder Gerontikon), werden dann die kleinen oder großen Sorgen und die täglichen Versuchungen zugedeckt, und so verwandelt es sich in eine geistliche, andere Atmosphäre, und man betet konzentriert.

Wenn der Feind mit blasphemischen Gedanken Krieg führt (wegen seiner üblichen Bosheit und Missgunst) beunruhige dich nicht, sondern benutze auch den Dämon als deinen Arbeiter auf folgende Weise, mit der du dich nicht erschüttern lässt, sondern du dem Feind sagst: Gut, dass du mir diese Gedanken gegeben hast, damit ich das Gebet sage, weil ich sonst vergesse, ununterbrochen zu beten. Der Feind wird dann sofort verschwinden, weil er gewöhnt ist, nur Böses zu tun. Ich erwähnte das, weil der Feind blasphemische Gedanken (vor allem) den Empfindsamen bringt, um sie noch empfindlicher zu machen, sie zu erschüttern und sie umzuwerfen.

Dasselbe gilt auch für einige, die sich im Nachtgottesdienst über ihre Kräfte und mit Stolz anstrengen; sie sind dann matt und haben nicht die Kraft, die Gedanken des Feindes zu vertreiben und meinen, dass diese blasphemischen Gedanken ihre eigenen sind; und so leiden so ohne Grund, denn sie sind dafür nicht der Grund, sondern der Feind.

Deshalb ist es nötig, dass junge Menschen mit Demut und Unterscheidungsgabe sich um die Übung des Gebetes bemühen und sich in der Nacht (ausgehend vom Tag) vorbereiten, mit Zielbewusstsein, mit Lektüre und mit mäßiger Nahrung, welche hilft und möglichst nicht salzig ist, um das viele Wasser zu vermeiden, weil dieses hinderlich ist durch das Aufblähen, das es verursacht, und so dem Menschen das Gebet erleichtert wird.

Sehr hilft es, wenn das leichte Abendessen, so leicht es auch sein mag, etwa gegen 4 Uhr (europäischer Zeit) nach Väterlesung usw. eingenommen wird oder auch drei Stunden nach der Hauptmahlzeit. Sehr hilft es, dass kleine und große Metanien zwischen jedem Kombos’chini vorhergehen, um das Öl der Maschine aufzutauen; und danach, wenn man etwas müde geworden ist, soll man sich setzen und das Gebet sprechen, nachdem man sich seine Erbärmlichkeit und die großen Wohltaten Gottes, die der gute Gott hat zuteil werden lassen, vor Augen gestellt hat.

Dann sammelt sich der Geist (wie ich anmerkte, in seinem Herzen von alleine) und sucht das Erbarmen Gottes mit seinem ganzen Herzen, mit seiner ganzen Seele und seinem ganzen Verstand, ohne große Mühe zu wahrzunehmen.

Sehr helfen die Stunden nach dem Sonnenuntergang (nachdem man vorhergehend vor dem Sonnenuntergang Väterbücher gelesen hat), die drei Stunden, wie auch nach Mitternacht bis zum Sonnenaufgang. Für junge Leute ist es gut, sich eine Stunde nach Sonnenuntergang schlafen zu legen – mit weniger Gebet -, und aufzustehen nach Mitternacht, um den anstößigen morgendlichen Schlaf zu vermeiden.

Natürlich braucht es Unterscheidungsgabe und die Begleitung durch ihren Beichtvater als Führer, welcher unentbehrlich ist.

Deutsch von p. Martinos Petzolt

Aus: Konstantinos Giannitsiotis: Mit Vater Porphyrios. Ein geistliches Kind erinnert sich. Hrsg. v. Heiligen Frauenkloster der Verklärung, Athen-Milesi 2012

Unterweisungen zum Gebet von Vater Paisios



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Hl. Johannes Maximowitsch von Shanghai und San Francisco (+1966)

2. Juli

Hl. Johannes von Shanghai und San Francisco (weltlicher Name Michail Borissowitsch Maximowitsch, russisch Михаил Борисович Максимо́вич; * 4. Juni (jul.)/ 16. Juni 1896 (greg.) im Dorf Adamowka im Gouvernement Charkow (heute Ukraine); † 2. Juli 1966 in Seattle) war Bischof der Russischen Auslandskirche und ist ein Heiliger der Orthodoxen Kirche. Von vielen orthodoxen Christen wird er als Wundertäter verehrt.

Leben

Michail ist aus der Familie Maximowitsch, der auch der in ebenfalls in der orthodoxen Kirche heiliggesprochene Johannes von Tobolsk (1651–1715) entstammt. Der Vater Michail war adeliger Marschall und sein Onkel Rektor der Kiewer Universität. Von 1907 bis 1914 besuchte er die Militärschule von Poltava, 1918 schloss er sein Studium an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität in Charkiw ab. 1921, in der Zeit des russischen Bürgerkriegs, kam die Familie nach Belgrad, wo Michail bis 1925 an der dortigen Universität Theologie studierte. 1924 wurde er von Metropolit Antoni Chrapowizki zum Lektor in der russisch orthodoxen Kirche ordiniert. 1926 empfing er als Johannes die Tonsur zum Mönchsstand und am 21. November desselben Jahres wurde er zum Mönchspriester geweiht. Von 1925 bis 1927 war er Religionslehrer an einer staatlichen serbischen Schule und von 1929 bis 1934 war er Lehrer und Tutor am serbischen Seminar des Heiligen Johannes des Theologen in Bitola, wo er die Göttliche Liturgie auch in griechischer Sprache zelebrierte. Bitola gehörte zur Diözese von Ochrid, in der damals Nikolaj Velimirović Bischof war. Der von der serbisch orthodoxen Kirche heiliggesprochene Bischof soll des Öfteren gesagt haben: „Wenn du einen lebenden Heiligen sehen willst, geh nach Bitola zu Vater Johannes.“ Auch auf die Studenten machte der asketische Priestermönch einen starken Eindruck.

Am 28. Mai 1934 wurde Johannes von Metropolit Antoni Chrapowizki zum Bischof geweiht. Der an einem Sprachfehler leidende Mönch protestierte zwar anfangs gegen die Ernennung, fügte sich aber dann im Gehorsam gegenüber seinen Vorgesetzten. Der auch körperlich kleine und schwach wirkende Bischof Johannes wurde nach Shanghai gesandt. Dort traf er auf eine auf Grund eines Jurisdiktionskonflikts zerstrittene Kirche und eine unfertige Kathedralkirche. Außerdem lebte ein Großteil der orthodoxen Gläubigen, unter denen viele Flüchtlinge aus der Sowjetunion waren, unter prekären Verhältnissen. Der Bischof versuchte den Menschen zu helfen und gründete unter anderem ein Waisenheim, in dem im Laufe der Zeit insgesamt 3.500 Kinder Zuflucht fanden. Bischof Johannes selbst lebte sehr einfach, trug nur billige chinesische Kleidung und ging oft barfuß, was ihm auch Kritik eintrug. In der Zeit der japanischen Besatzung geriet die russischsprachige Gemeinschaft unter großen Druck, in dieser Situation erklärte sich der Bischof selbst für eine begrenzte Zeit zum Leiter der russischen Kolonie.

Mit der Herrschaft des Kommunismus in China floh der Bischof mit den meisten Russen auf die Philippinen. 1951 wurde Bischof Johannes nach Westeuropa geschickt, zuerst nach Paris und dann nach Brüssel. Hier wendete er seine Aufmerksamkeit nicht nur der russischen Diaspora zu, sondern auch der lokalen Bevölkerung vor Ort. So wie er früher in Griechisch oder Chinesisch zelebrierte, feierte er nun die Liturgie auch auf Holländisch oder Französisch. Er gliederte auch westliche Heilige aus der Zeit vor dem morgenländischen Schisma in den orthodoxen Kalender ein.

1962 wurde Bischof Johannes nach San Francisco gesandt und dort zum Erzbischof. In San Francisco traf er auf eine ähnliche Situation wie 28 Jahre vorher in Shanghai: Eine gespaltene russische Gemeinschaft und eine unfertige Kathedrale. Wie in Shanghai schaffte es der nunmehrige Erzbischof auch hier, Frieden herzustellen und den Kathedralbau zu vollenden. In San Francisco wurde der Erzbischof aber auch angefeindet und wegen angeblicher Veruntreuung von Gemeindevermögen vor Gericht gebracht, dort aber vollständig entlastet. In seinen letzten Lebensjahren wurden zwei Charakterzüge des Bischofs deutlich sichtbar: einerseits eine Strenge etwa in liturgischen Dingen oder bei der Befolgung von Fastengeboten, andererseits Freundlichkeit und Fröhlichkeit. 1966 starb er bei einem Besuch in Seattle für viele unerwartet, er selbst soll aber seinen Tod vorausgesehen haben.

Lebensweise, Wundertaten und Verehrung

Johannes von Shanghai war ein großer Asket, nur einmal am Tag soll er gegessen haben und nachts nur drei Stunden geschlafen haben und das nie im Liegen. In den ersten und letzten Tagen der Großen Fastenzeit soll er überhaupt nicht gegessen haben. Täglich feierte er die Göttliche Liturgie, auch wenn er krank war. Konnte er aus irgendeinem Grund die Göttliche Liturgie nicht feiern, empfing er die Kommunion. Von Johannes von Shanghai existieren viele Erzählungen, die unter anderem auch von seinem großen Gottvertrauen zeugen. So soll einmal eine schwer an Tollwut erkrankte Frau die heilige Kommunion ausgespien haben. Der Bischof soll sie aufgehoben und selber gegessen haben. Auf die Hinweise der Umstehenden, dass Tollwut sehr ansteckend sei, habe der Bischof geantwortet: „Es wird nichts passieren, das sind die Heiligen Gaben.“ Dem Bischof wird auch die Gabe der Hellsichtigkeit nachgesagt. Einmal wollte er einem alten Gefangenen die Kommunion ins Gefängnis bringen. Bevor er zu dem alten Mann kam, traf er im Gefängnis auf einen jungen Mann. Er holte ihn zu sich und sagte ihm, dass er ihm die Kommunion geben wolle. Der Mann kam, beichtete und empfing die Heiligen Gaben. Der Priester, der mit dem Bischof unterwegs war, fragte ihn, warum er den die Kommunion dem jungen Mann und nicht dem alten gegeben habe. Bischof Johannes antwortete: „Er (der junge Mann) wird diese Nacht sterben, der andere aber, der ernstlich krank ist, wird noch viele Jahre lang leben.“ So soll es dann auch geschehen sein. Zahlreiche Heilungen von Krankheiten zu Lebzeiten und nach seinem Tod werden Johannes von Shanghai zugeschrieben. Seine Heiligsprechung durch die russisch-orthodoxe Kirche im Ausland erfolgte am 2. Juli 1994, durch die russisch-orthodoxe Kirche am 2. Juli 2008. Seine Gedenktage nach dem gregorianischen Kalender sind der 2. Juli und der 12. Oktober (Auffindung der Gebeine).

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Heilige Ia von Irland und Cornwall (+450)

Heilige Ia ist eine kornische Heilige, deren Tradition mindestens bis in das 5. Jahrhundert zurückgeht und nach der die Hafenstadt St Ives benannt wurde. Sie ist auch unter den Namen Ives und Hya bekannt. Ihr Gedenktag ist der 3. Februar.

Ia eine irische Jungfrau nobler Herkunft, die zu spät die irische Küste erreichte, um Gwinear und seine Begleiter auf ihrer Reise nach Cornwall zu begleiten. In ihrer Verzweiflung ließ sie sich auf dem Strand zu einem Gebet nieder, wonach sie ein kleines auf dem Wasser schwimmendes Blatt entdeckte. Als Ia das Blatt mit ihrem Stab berührte, vergrößerte es sich auf wundersame Weise zu der Größe eines Bootes, das Ia aufnehmen und nach Cornwall bringen konnte, wo sie noch vor Gwinear ankam.

In der damaligen Gemeindekirche befand sich auch ihr Grab. Venton Ia, eine Quelle in der Nähe des Porthmeor Beach, eines der beiden zu St Ives gehörenden Strände, ist ihr ebenfalls geweiht. Ferner wurde Ia eine Kapelle in Troon bei Camborne zugeeignet. Auch die bretonische Gemeinde Plouyé, deren Name „Gemeinde der Ia“ bedeutet, könnte mit derselben Heiligen in Verbindung stehen.

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Dialog mit protestantischen Priestern in Korea


Nach wiederholten Einladungen des Nationalen Kirchenrates von Korea (National Council of Churches in Korea = NCCK) an die Heiligen Metropolis von Korea, der sie als Vollmitglied bei sich aufzunehmen wünschte, wurde mit dem Segen des Ökumenischen Patriarchen die Einladung angenommen, unter der Voraussetzung, nur im Rahmen des theologischen Dialoges teilzuhaben, zugunsten des orthodoxen Bekenntnisses, ohne in politische oder andere Aktivitäten involviert zu werden.

Im Rahmen dieses Übereinkommens ist die Metropolis darum gebeten worden, Vorträge über die Orthodoxe Kirche vor protestantischen Pastoren der Städte Seoul, Tsountson und Tsontzou zu halten, die mit Rednern dem Ehrwürdigen Metropoliten v. Korea Herrn Ambrosios in Seoul und den koreanischen Priestern Vt. Jeremias Tzo in Tsountson und Vt. Hilarion Tzong in Tsontzou verwirklicht wurden.

Es folgt das Gespräch zwischen dem Ehrwürdigen und den Herren und Frauen Pastoren und Pastorinnen, das nach dem Vortrag in den zentralen Büroräumlichkeiten des NCCK in Seoul am Montag, dem 18.Juni 2012, stattfand.

ERSTE FRAGE: Stimmen Sie der Theorie der Römisch-Katholischen über Petrus und der „Petra“ (Fels) zu, die sie als Begründung für den Papstprimat angeben?

ANTWORT: Selbstverständlich nicht. Für uns Orthodoxe stellen sich die Dinge einfach und deutlich dar. Die Jünger, mit ihrem Haupt Jesus Christus, waren untereinander gleichberechtigt, und keiner von ihnen hat jemals daran gedacht, sich selbst als ersten und einzigen Stellvertreter Christi auf Erden darzustellen. Das synodale System, das die Orthodoxe Kirche im Lauf der Jahrhunderte mit Respekt und Präzision verfolgt, existiert nach dem Beispiel der zwölfköpfigen Gemeinschaft der Jünger Christi und des anschließenden Apostelkonzils (um ca. 49 n. Chr.). Die synodische Institution bewahrte den grundlegenden Charakter der Orthodoxen Kirche als zwischenmenschliche Kommunion und beschützte sie vor dem Absolutismus bzw. der Anarchie des römisch-katholischen und des protestantischen Westens.

Selbstverständlich bedeutete die Gleichberechtigung unter den Jüngern oder den Bischöfen und Teilnehmern der Synode nicht, dass Anarchie herrschte. Der Begriff „Erster“ besitzt, auf dem Prinzip „Erster unter Gleichen“ (Primus inter pares) basierend, bereits seit der Urkirche Gültigkeit. Die Bischöfe der fünf großen Jurisdiktionen von Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochien und Jerusalem (Pentarchie) hatten die erste Stelle inne in der Verwaltung ihres Gebietes, aber untereinander waren sie gleich. Die Institution der Pentarchie der Hierarchen wird bereits seit der Vierten Ökumenischen Synode (451) als höchste Verwaltungsinstanz der Kirche anerkannt. Ein Machtprimat, so wie die Römisch-Katholischen es verstehen, besaß keiner von ihnen, zu keiner Zeit. Alle sprachen dem Bischof von Rom den Ehrenprimat zu, aber keinen Machtprimat. Niemand erkannte ihn als den angeblich einzigen Nachfolger Petri an, der angeblich das Recht der absoluten Führerschaft und Herrschaft über die ganze Ökumene der christlichen Kirche inne hätte. Die Worte Christi: „Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18) bedeuten nicht, dass Christus Seine Kirche auf der Person Petri erbauen würde, sondern auf seinem deutlichen Bekenntnis: „Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ (Mt 16,16), das Petrus als Antwort auf die Frage Christi an Seine Jünger stellte: „Er sprach zu ihnen: Wer sagt denn ihr, daß ich sei?“ (Mt 16,15). Christus erklärte Petrus nicht zum Hirten der übrigen Apostel. So nennt Petrus sich selbst „Mitälteste“ (1 Petrus 5,1), weil er die übrigen Apostel als gleichberechtigt ansieht, mit Christus als einzigen „Erzhirten“ (1 Petrus 5,4).

2. Frage: Es ist bekannt, dass die römisch-katholischen Theologen das Papstprimat mit dem Gespräch des Auferstandenen Herren mit Petrus begründen. Welche Antwort geben Sie darauf?

Antwort: Tatsächlich unterstützen die Römisch-Katholischen, dass Christus in Seinem Gespräch mit Petrus (Joh 21, 15-17) ihn zum Hirten über Seine Schafe erklärte. Auf diese Weise kommen sie zur falschen Schlussfolgerung, dass der Bischof Roms, als Nachfolger Petri, den ausschließlichen Machtanspruch besitzt. Es ist jedoch auch bekannt, dass Petrus bevor er nach Rom ging ein signifikantes Werk in Jerusalem hinterließ. Dort predigte er das Wort Gottes mit großer Innbrunst, gleich nach Pfingsten (Apg 2, 14-36), und setzte die Predigten selbst fort, als man ihn zusammen mit den anderen Aposteln gefangen nahm, während er vor dem Rat der Hohepriester sprach: „Man muß Gott mehr gehorchen denn den Menschen” (Apg 5, 29). Trotzdem wagte er der Bischof von Jerusalem niemals, einen Machtanspruch zu erheben, seiner „Verwandtschaft“ mit Petrus wegen, so wie es der Papst tut. Dasselbe gilt auch für den Bischof von Antiochien, wo Petrus ebenfalls wirkte und im Altertum als erster Bischof von Antiochien angesehen wurde.

3.Frage: Glauben Sie, dass die Gleichberechtigung für die Kircheneinheit von Relevanz ist?

Antwort: Ganz bestimmt. Die Kircheneinheit der ersten tausend Jahre wurde durch die Überzeugung bewahrt, dass die Bischöfe, wie auch die Jünger Christi, untereinander gleichberechtigt waren. Leider verursachte der Bischof von Rom durch seinen absurden Machtanspruch das verheerende Große Schisma (1054 n.Chr.) und wurde zur Ursache der Spaltung der christlichen Welt bis heute. Denn als der Papst sich von den übrigen vier großen Kirchenjurisdiktionen abgeschnitten und somit isoliert hat, begann, wie es nur natürlich war, das Schlittern in dogmatische Abweichungen vom rechten Glauben der Urkirche. Allbekannt ist, das dies zur Reformation im 16. Jahrhundert führte.

So kam es leider dazu, dass Luther, Calvin und andere Vorreiter des Protestantismus, zwar zurecht gegen die Abweichungen und Skandale der Kirche von Rom protestierten, aber gleichsam ins andere Extreme fielen, indem sie die Überlieferung, den Klerus, die Sakramente u.a. annullierten. Heute, fünfhundert Jahre später, sind wir konfrontiert mit dem traurigen Phänomen, dass fast jeder Prediger auf seine eigene Weise die Heilige Schrift interpretiert, aber auch, dass jeder ehrgeizige Hirte seine eigene Kirche gründet. Mehrere Tausende protestantischer Konfessionen, die es heute weltweit gibt, bezeugen diesen Umstand. Luther forderte die Reform der Kirche und heute werden wir zu Zeugen wie, vor allem in Asien, in Afrika und in Lateinamerika, die Kirche, ohne ekklesiologisches Fundament, in viele Teile zerteilt wird. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Beispiel anführen:

Um die Kathedrale der Orthodoxen Metropole von Korea, in Aheong-dong, in einem Abstand von 20-30 m. um die Kirche herum, gibt es drei protestantische Kirchen unterschiedlicher Konfessionen. Man stellt sich natürlich die Frage: Warum gibt es diese drei unterschiedlichen Kirchen fast auf der selben Stelle? In welchen wichtigen Punkten unterscheiden sie sich voneinander, so dass eine Vereinigung zu einer Kirche und die Kommunikation zwischen ihnen nicht umgesetzt werden kann? Ich wäre sehr dankbar darüber, von ihnen eine überzeugende Antwort darauf zu erhalten. (Kein Kommentar vom Plenum, nur zustimmendes, verlegenes Lächeln!).

4. Frage: Warum gibt es in den Orthodoxen Kirchen den Altarraum, der durch eine Ikonostase abgetrennt ist, so dass das Kirchenvolk nicht sehen kann, was die Priester in diesem tun? Bedeutet das nicht eine Unterscheidung zwischen Klerus und Volk? Kann diese Überlieferung geändert werden?

Antwort: Zu Anfang muss betont werden, dass es sich bei der Orthodoxen Kirche nicht nur um ein Gebetshaus handelt, sondern um einen heiligen und sakralen Ort. Jede Kirche wird mit einer speziellen Gebetsfolge eingeweiht und ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nunmehr um einen Ort, der ausschließlich Gott und Seiner Verehrung gewidmet ist. Mit anderen Worten handelt es sich nicht bloß um einen Predigersaal, der, wenn er uns aus irgendeinem Grund nicht mehr nützlich sein sollte, durch einen neuen ersetzt und in ein Kaffeehaus, in ein Restaurant oder in irgendetwas anderes umfunktioniert werden könnte. Die orthodoxe Kirche ist eine sichtbare Wohnung Gottes. Sie ist der Himmel auf Erden, in dem der himmlische Gott wohnt und wandelt (s. 2 Kor 6,16). Ich erinnere Sie daran, dass im Alten Testament Gott Selbst, auf eindrucksvolle Weise, genaue Anweisungen gibt, wie die Anfertigung des Zeltes des Zeugnisses durch die Israeliten vonstatten gehen sollte (Ex 25).

Der Tempel soll der geistigen Erhebung dienen. Deswegen hat es symbolischen Charakter, wenn wir in der Regel eine Treppe hochsteigen müssen, um den Kirchenraum zu betreten; wir lassen die weltlichen Sorgen hinter uns und treten in die geistige Welt des Königreichs Gottes ein. „Wenn wir im Tempel Deiner Ehre stehen, Herr, dünkt es uns, wir stünden im Himmel“, lautet eine schöne Hymne unserer Kirche. Und die Unterteilung des Tempels in Vorraum (Narthex), Kirchenschiff und Altarheiligtum symbolisiert ebenfalls diese geistige Erhebung. Der eine Raum führt uns stufenweise in den nächsten, bis zum höchsten Punkt des Tempels, dem Altarraum, dem Allerheiligsten. Dort ist der heilige Opferaltar; auf diesem befindet sich der Heilige Tabernakel mit dem Leib und dem Blut Christi und im Zentrum das heilige Evangelium, wobei beides uns auf sichtbare Weise die dogmatische Wahrheit verdeutlicht, dass Christus der Logos das Zentrum unseres Lebens darstellt.
Das Altarheiligtum hat seine Wurzeln im Allerheiligsten des Zeltes des Zeugnisses in der Wüste Sinai und später im Tempel Salomos in Jerusalem. Es handelt sich also nicht um eine neuere Erfindung durch uns. Die Ikonostase (griech. templo) trennt das Kirchenschiff vom Altarheiligtum, so wie der „Vorhang“ im Tempel Salomos das Heilige, wo das Volk und die Priester eintreten durften, vom Allerheiligsten separierte, das, wie Gott geboten, „nur einmal (jährlich) der Hohepriester allein“, während der Feierlichkeiten am Tag der Sühne (Jom Kippur) betreten durfte (Lev 16,34, Heb 9,7). Die Ikonostase hilft uns als Klerus und auch als Volk die besondere Heiligkeit des Ortes zu begreifen. Deshalb sind als Wächter die Erzengel Michael und Gabriel auf der südlichen und auf der nördlichen Tür positioniert.
In der Urkirche fand die Abtrennung des Kirchenschiffes anfangs durch einen Vorhang oder einen Epistyl statt und infolge mit der Ikonostase, die aus Marmor, Holz oder einem niedrigen metallenen Geländer bestand. Die hohe Ikonostase entwickelte sich erst viel später. Nichtsdestotrotz schützt uns die Ikonostase vor der Profanierung des Ortes. Wir könnten sie vergleichen mit dem Thorax des menschlichen Leibes, der das Herz vor frevelhaften und unaufmerksamen Händen schützt. Das „Herz“ des heiligen Gotteshauses ist der heilige Opferaltar. Deswegen kann nicht jedem der Zugang gestattet werden. Nur den Priestern, die den liturgischen Teil der Verehrung auszuführen haben. Der Anspruch, alles sehen und begreifen zu wollen, ist ein Resultat scholastischer Mentalität. Lassen Sie uns nicht vergessen, dass Gott Moses “in einer dunklen Wolke“ (Ex 20,21) erschien und Christus offenbarte uns die großen Glaubenswahrheiten „durch Gleichnisse, und Er redete nur durch Gleichnisse zu ihnen“ (Mt 13,14).

Gott offenbart Sich nicht den Neugierigen, aber denen, die „arm sind vor Gott“ und denen, „die ein reines Herz haben“ (Mt 5,3, Mt 5,8), die sich wie der Zöllner unwürdig fühlen ihre Augen zum Himmel zu erheben und statt dessen ihr Gesicht auf den Boden richten, während sie immerfort wiederholen: „Gott, sei mir Sünder gnädig“ (Lk 18,13).

Mit wenigen Worten würde ich auf die Frage antworten, dass die Ikonostase „nicht das Trennen, sondern das Verbinden beider Bereiche der Kirche symbolisiert” (L. Ouspensky).Christus im Zentrum und rechts und links von Ihm die Gottesgebärerin, der Täufer, die Engel, die Apostel, die Heiligen in Gebetshaltung, die mit der kämpfenden irdischen Kirche kommunizieren. Die Gläubigen betrachten die Antlitze der Ikonostase während der Messe und kommunizieren somit auf sichtbare Weise mit der triumphierenden himmlischen Kirche – sie vereinen sich mit Christus durch ihre Teilnahme am Königlichen Mahl.

5.Frage: Was stellt gemäß der Lehre ihrer Kirche die Priorität im geistigen Leben dar?

Antwort: „Unsere Heiligung“ (1 Thes 4,3). Gott Selbst sagte zu uns: „Seid heilig, denn Ich bin heilig“ (Lev 20,7, 1 Petr 1,16). Die Heiligung ist demnach unser einziges Ziel. Die Heiligung ist der Zweck der Kirche, ohne den es für sie keinen Existenzgrund gäbe. Aber was bedeutet Heiligkeit? Heiligkeit bedeutet, den Heiligen Geist zu erhalten und uns zu vereinen mit Gott. Dass wir zu Göttern der Gnade nach werden. Dies ist mit dem theologischen Begriff „Theosis“ (Vergöttlichung) gemeint, den uns die Väter der Orthodoxen Kirche lehrten. Gott schuf uns „zu Seinem Ebenbild“ und „zum Bilde Gottes“, so dass wir ewiglich mit Ihm zusammensein können. Was wir verloren nach dem Fall, können wir wiedererlangen, wenn wir wollen, indem wir „In Christus“ leben. Christus kam nicht, um aus uns „gute“ Menschen, sondern um aus uns „Heilige“ zu machen. „Er (der Logos Gottes) wurde Mensch, damit wir vergöttlicht würden“ (Gr. Athanasius, Über die Menschwerdung 54, BDK 30,119). Er kam, um uns zu vergöttlichen, um uns seelisch und körperlich zu heiligen und uns das Ewige Leben zu schenken.

Bei unserer Heiligung sind alle Heiligen unsere unfehlbaren Führer. Das heißt, die heiligen Apostel, die heiligen Märtyrer, die Apostolischen Väter, die Seligen, die heiligen Väter und die lange Kette der „Heiligen, der Freunde Gottes“ (J. Von Damaskus, PG 94, 1252) vom ersten Jahrhundert bis zur heutigen Zeit.

Wie, wenn man auf eine Bergspitze steigen möchte und einen Führer benötigt, um den Weg nicht zu verlieren, so sind die Heiligen unsere Wegaufzeiger auf unserem Weg zum Königreich Gottes. Jeder Heilige verdeutlicht uns wiederholt, mit seiner Lehre und seiner Lebensweise, die Worte des Apostels Paulus: „Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme“ (1 Kor 11,1). Deswegen muss die Predigt immer soteriologischen Charakter haben.

6.Frage: Welches Bild haben sie von der koreanischen Gesellschaft?

Antwort: Der Umstand, dass in Korea die meisten Selbstmorde weltweit verzeichnet werden, offenbart die große Krise, in welcher sich die koreanische Gesellschaft gerade befindet. Wenn ich auf dieses Thema nicht auf kritische, sondern auf selbstkritische Weise blicke, so muss ich demütig feststellen, dass wir als Christen versagt haben. Wir brüsten uns damit, dass das Christentum in den letzten 100 Jahren in Korea weite Verbreitung fand. Aber, wie es leider scheint, hat der Geist Christi noch nicht wesentlich die Menschen erreicht. Denn wenn die Menschen noch immer nicht begreifen, dass das Leben ein kostbares Gut darstellt, das von Gott kommt, und dass jegliche Form des Beendigens des Lebens eine große Sünde darstellt, dann ist sich unsere Spiritualität wahrlich auf dem Tiefststand.
Und, bitte entschuldigen sie, aber es macht mich wirklich traurig, dass der NCCK und andere christliche Träger keine ausreichende Reaktion darauf zeigen. Ich glaube, dass es sehr effektiv wäre, wenn wir alle zusammen eine große Informationscampagne gegen den Selbstmord starten würden. Wir sollten offen bekennen, dass wir uneins sind mit denjenigen, die glauben, dass der Selbstmord in vielen Fällen eine „heroische Tat“ darstellt, oder eine „gute Lösung“ und wir sollten unseren Glauben in die Heiligkeit des menschlichen Leibes verkünden, der unserem Glauben an die Auferstehung Christi entspringt.

7. Frage: Sagen Sie uns etwas über das Fest der Auferstehung Christi in der Orthodoxen Kirche.

Antwort: In der Orthodoxen Kirche, die auch „Kirche der Auferstehung“ genannt wird, stellen wir die Auferstehung Christi in den Mittelpunkt. Dies ist zu erkennen an der langen Vorbereitungsphase vor Ostern, den langen und den Gebetsfolgen der Großen Woche, die von höchster Wohlgestalt sind, und den vierzigtägigen Osterfeierlichkeiten.

Sie wissen besser als ich, dass der Ostersonntag in Ihren Kirchen fast einen gewöhnlichen Sonntag darstellt, ohne besondere Rituale. Indes wird zu Weihnachten so viel Wind gemacht um die Weihnachtsbäume, den Schmuck, den bunten Lichtern in den Straßen, den Weihnachtsliedern und den gegenseitigen Weihnachtswünschen wie „Merry Christmas“, unter Christen und Nicht-Christen, so dass Ostern kommt und wieder geht, ohne durch viele Menschen wirklich wahrgenommen zu werden.
Auch in der Orthodoxen Kirche ist das heilige Weihnachtsfest von großer Bedeutung, weil es die „Metropole aller Feste“ darstellt, wie der hl. J. Goldmund charakteristisch sagte. „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos“ (1 Kor 15.14). Unser Glaube hat sein Fundament in der Auferstehung Christi. Und von der Auferstehung Christi als Zentrum und Beginn wird unser ganzes Leben erbaut. Wenn wir an die Auferstehung Christi glauben, dann glauben wir auch an die Auferstehung von den Toten. Dann ist der Respekt und der Schutz unseres irdischen Lebens die Stufe, die man nehmen muss, um das Ewige Leben zu erreichen.

8. Frage: Warum beharrt ihr Orthodoxen so sehr auf das Thema der Ikonen? Spielen sie eine Rolle in unserer Erlösung?

Antwort: Wie bereits in der Antwort auf die erste Frage erwähnt, steht der Orthodoxe Tempel mit seiner Gestaltung, seiner Architektur und seinen Symbolen für die geistige Erhebung.

So sind auch die Ikonen erhebend, vor allem während der Latrie. Die Ikonen werden mit anderen Worten zu uns Erziehenden auf Christus hin (s. Gal 3,24). Im Saal zum Beispiel, wo wir uns jetzt eingefunden haben, sehen wir eine Wand vor uns. Niemand kann sehen, was sich dahinter verbirgt. Aber auf der gegenüberliegenden Wand mit dem großen Fenster können wir einen großen Teil unserer schönen Stadt sehen. Diese Rolle nehmen auch die Ikonen ein: Sie sind ein Fenster, durch das wir jetzt schon, auf Erden, die geistige Welt des Himmels schauen können. Wenn wir also die Ikone Christi sehen, kommunizieren wir im Herzen und im Geiste mit Christus Selbst.

9. Frage: Ja, aber warum küssen Sie die Ikonen?

Antwort: Wenn ein Soldat seiner Mutter ein Foto schickt, greift sie mit Sehnsucht danach und küsst es oft unter Tränen. Natürlich küsst sie nicht, wie wir alle unschwer verstehen können, das seelenlose Fotopapier, sondern auf geistige Weise küsst sie ihr Kind, dass fern ist von ihr. Das geschieht auch mit den Ikonen. „Die den Heiligen erwiesene Ehre gelangt nach oben zu ihm“ (Über den Heiligen Geist, 18,45), lehrt der Gr. Basilius bereits im 4. Jahrhundert. Auf diese Weise führen uns die Ikonen, während wir unsere Gebete zuhause verrichten oder uns in der gemeinsamen Latrie befinden, zur geistigen Schau des Königreichs Gottes.

10.Frage: All das ist schön und gut, aber wie lässt sich die Verehrung der Ikonen vereinbaren mit einem der 10 Gebote, das da heißt: „Du sollst dir kein Gottesbild machen…“ (Ex 20,4, Dtn 5,8) ?

Antwort: Zweifellos handelt es sich bei diesem Gebot um ein strenges Verbot. Außerdem wurde dasselbe auch beim Siebten Ökumenischen Konzil beschlossen (787), das sich ausschließlich mit dem Thema der Ikonen beschäftigt hat. Aber die Ikonen der Orthodoxen Kirche brechen dieses Gebot nicht, denn: Wie Sie selbst bemerken werden, wenn sie z.B. die Kathedrale des hl. Nikolaos in Seoul besuchen, oder die anderen Gemeinden unserer Metropolis, findet sich nirgendwo zwischen den sehr schönen Wandikonen des Tempels oder den tragbaren Ikonen, die Ikone des Gott Vaters. Nur die zweite Person der Heiligen Dreiheit, den Gott Logos, der „Fleisch“ (Joh 1,14) wurde, wird in der Orthodoxen Kirche abgebildet. Gott Vater aber, Der Geist ist, Den niemand gesehen hat und Der nicht beschrieben werden kann, weil Er „unvorstellbar“ ist, können wir nicht abbilden. Der Sohn hingegen, Der Mensch wurde, um uns zu erlösen, wird auf den Ikonen abgebildet, so wie wir Ihn sahen, als Er auf Erden erschien. „In alter Zeit wurde Gott, der Körper- und Gestaltlose, auf keinerlei Art bildlich gestaltet, jetzt aber, nachdem Gott im Fleische erschienen und mit den Menschen umgegangen ist, bilde ich an Gott das Sichtbare ab “, schreibt der heilige Johannes von Damaskus (PG 94, 1240). Wir bilden nicht Seine göttliche Natur ab, die ebenfalls „unvorstellbar“ ist, aber die Hypostase, d.h. die Person, des menschgewordenen Sohnes und Logos Gottes. „Den Unsichtbaren vermittels des sichtbaren Bildes schauend, lobpreisen wir ihn als gegenwärtig seienden…“ (Joh. Von Damaskus, 1 Rede, PG 94, 1296 und 1333).

Erlauben Sie mir bitte hinzuzufügen, dass auch die dritte Person der Heiligen Dreiheit, der Heilige Geist, nur symbolisch abgebildet wird, wie Er auch auf Erden erschien: als Taube und als Feuerzunge.

Die Orthodoxen verehren nicht die Ikonen, sondern ehren sie. Und Sie können sicher den Unterschied verstehen zwischen Verehrung und Ehrerbringung. „Ich weiß drum, dass Ehrerbringung etwas anderes ist…Eines ist die Verehrung der Latrie, ein anderes aber die dargebrachte Ehrehrbringung gemäß des Ehrenranges“ (Joh. Von Damaskus, 1 Rede, PG 94, 1240).

Jetzt, da wir zum Ende kommen, möchte ich anmerken, dass meinerseits in meinen Antworten auch eine gewisse Selbstkritik nicht fehlte, zumal die Orthodoxe Metropolis von Korea Mitglied der NCCK ist. Ich finde, dass es von größter Wichtigkeit ist, dass wir auf solch hohem Niveau über theologische Themen diskutieren können, in denen wir, leider, Differenzen aufweisen. Doch ich bin guter Dinge, dass wir, mittels des Dialogs der Liebe und der Wahrheit, uns gegenseitig besser kennenlernen und den Geist der Vereinigung auf rechten ekklesiologischen Fundamenten vorantreiben können. Ich danke Ihnen von Herzen für die Einladung, Ihre vortrefflichen Fragen und Ihre Aufmerksamkeit.

Übersetzung: Alexia Ghika- Kyriazi

Transkription
A.D. Kontogiannakopoulou
Zeitschrift
„Πάντα τα Έθνη“, Band 123
Juli – August – September 2013



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Die vom Heiligen Licht gespaltene Säule (1579 n. Chr.)

Am Großen Samstag des Jahres 1579 verbot der türkische Herrscher dem griechischen Patriarchen und den orthodoxen Gläubigen, laut der Kirchenchronik der Stadt Jerusalem, die Auferstehungskirche zur traditionellen Feier des Heiligen Lichts zu betreten.

Die Schriften, die die Tatsache erwähnen, geben nicht das genaue Jahr an. Sie geben aber an, dass zu jener Zeit Sophronios Patriarch von Jerusalem war und die Patriarchen von Konstantinopel, Alexandrien und Antiochien in eben dieser Reihenfolge Jeremias, Silvester und Joachim waren; wie auch, dass der Sultan des Osmanischen Reiches Murat III. war.1

Wenn wir in offiziellen Katalogen (oder auf Webseiten) diese vier Patriarchen suchen, finden wir, dass die vier griechisch-orthodoxen Patriarchen ihr Amt tatsächlich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausübten; und wenn wir bei jedem den genauen Zeitraum der Amtszeit als Patriarch überprüfen und mit der entsprechenden Herrschaftsperiode von Murat III. vergleichen, so ergibt sich als einziges Jahr, in dem die Verwaltung der fünf Männer zusammenfiel, das Jahr 1579.2

Hof und Eingang der Auferstehungskirche.

Nach den schriftlichen Quellen verbot am Großen Samstag jenes Jahres eine Gruppe türkischer Soldaten den Orthodoxen, infolge von Einmischungen seitens der Armenier, den Zutritt zur Auferstehungskirche. Die Menge der Gläubigen blieb den ganzen Tag über im Hof der Kirche, auch noch nach Sonnenuntergang.

Für Patriarch Sophronios IV., der das erste Jahr seines Amtes als Patriarch waltete, war es das erste Mal, die wichtigste Feier des Jahres zu vollziehen, doch die Türken entzogen ihm sein legitimes Recht.

Der Patriarch stellte sich betend an die linke Seite des Eingangs zur Kirche, in die Nähe einer Säule; und plötzlich, als schon die Nacht angebrochen war, zerriss die Säule und das Heilige Licht entsprang aus ihrem Inneren.

Der Patriarch zündete sofort seine Kerze an und verteilte das Heilige Licht an die Gläubigen. Innerhalb weniger Minuten verbreitete sich die Heilige Flamme auf alle Anwesenden und der Kirchenhof war hell erleuchtet. Die überraschten türkischen Wächter öffneten daraufhin die Türen der Kirche und der Patriarch zog gemeinsam mit der Menge der Orthodoxen festlich zum Allheiligen Grab.

Die gespaltene Säule links vom Eingang zur Kirche mit dem Autor daneben. Der Riss hat eine Höhe von 1,20 m und sieht wie eine aufsteigende Flamme aus.

Die Ereignisse dieses Tages sind in allen sogenannten Pilgerbüchern von Jerusalem, den Wegweisern für die Pilger der Heiligen Stätten, verzeichnet. Das älteste dieser Pilgerbücher, in dem der Riss der Säule erwähnt wird, ist in einer kostbaren Handschrift enthalten, die sich in der Bibliothek von München befindet.

Es handelt sich um den Codex Monacensis Gr. 346,[3] der das Pilgerbuch des Priestermönchs Anania enthält. Diese Handschrift, 1634 von dem Kreter Priestermönch Akakios geschrieben, ist eine Abschrift des ursprünglichen Werks von Priestermönch Ananias, das 1608 geschrieben wurde, d.h. 29 Jahre nach dem von ihm geschilderten Wunder. Ananias hatte also die Möglichkeit, Einzelheiten über das Wunder von Menschen zu sammeln, die die Ereignisse miterlebt hatten.

Das erste Blatt des Codex Gr. 346 der Münchner Bibliothek, mit dem
Titel „Pilgerbuch, zusammen mit Gott, dem Heiligen, von der Heiligen
Stadt Jerusalem und den anderen Heiligen Stätten“.

Die Handschrift der Münchner Bibliothek wurde zum ersten Mal 1890 von Papadopoulos-Kerameus in St.Petersburg herausgegeben,4 mit gleichzeitiger russischer Übersetzung.

Laut der Niederschrift des Mönchs erzählt der Priestermönch Ananias das Folgende:

„Außerhalb der heiligen Tür, in der Nähe vom Westteil, sind drei Marmorsäulen, und aus der mittleren Säule, so heißt es, sei in alter Zeit das Heilige Licht herausgetreten. Und sie ist stark gespalten und das ist bis heute zu sehen. Und dieses Wunder wurde von Gott auf diese Weise gewirkt, weil, wie man sagt, zu jener Zeit jene dem Patriarchen Schranken setzten die ihn nicht in die Kirche zur Feier des Lichtes hinein ließen, wie es Tradition war. Der Patriarch und das Volk blieben am Abend des Großen Samstag traurig draußen auf dem Hof stehen. Und sie hielten auch die Kerzen in den Händen. Und der Patriarch stand beim Thron der Heiligen Helene, nahe an einer Säule. Und da, so wird gesagt, trat das Heilige Licht aus eben dieser Säule, von der wir sagten, dass sie stark gespalten ist, und es stieg die Säule hinauf, wo der Patriarch nahe stand. Und darauf zündete der Patriarch die Kerzen an, die er hielt, und von ihnen zündete auch das Volk [die Kerzen] an, aus den Händen des Patriarchen, wie gewohnt. Als dann, so heißt es, diejenigen, die das Sagen hatten, das Wunder sahen, öffneten sie die heilige Tür und der Patriarch ging mit dem Volk hinein und sie vollzogen das Fest nach dem Brauch“.

Die Schilderung des Mönchs Ananias über die Säule, die zerriss, im Codex Monacensis Gr. 346, 1634 n.Chr. Oben sind die Blätter 83v, 84r, 84v abgebildet und darunter die Blätter 85r, 85v, 86r. München, Bayerische Staatsbibliothek.

Dieselbe Erzählung, mit einigen zusätzlichen Informationen, ist in vielen Pilgerbüchern von Jerusalem enthalten, die in den folgenden Jahrhunderten herausgegeben wurden. Die älteste Ausgabe dieser Pilgerführer findet man in Wien aus dem Jahr 1749, mit dem Titel Pilgerbuch der heiligen Stadt Jerusalem, verfasst von Symeon, Archimandrit und Wächter des Heiligen Grabes.

Archimandrit Symeon schreibt:

„Dann stand der Patriarch mit dem Volk draußen auf dem Hof der Kirche, am Heiligen und Großen Samstag gegen Abend, und sie beteten mit großer Betrübnis zu Gott aus ganzer Seele. Und der Patriarch stieg auf den Thron der Heiligen Helena neben einer Säule, und es betete der Patriarch gemeinsam mit dem Volk. O Deine Menschenliebe, Gebieter! eine Säule zerriss und es kam das Heilige Licht heraus und der Patriarch ging hin und zündete die Kerzen an, die er in den Händen hielt und aus seinen Händen zündete die Menge ihre Kerzen zu ihrem Segen an“.

Die Angabe über die Säule, die gespalten wurde, im „Pilgerbuch von Symeon“, Wien 1749, S. 19.

Die Ausgabe von Wien spricht noch von einem anderen Ereignis, das einen arabischen Emir namens Tunom betrifft, der sich zur Stunde des Wunders auf dem Hof der Kirche befand. Als er die Entflammung der Säule sah, erkannte er die Authentizität des Wunders und trat bei seinen Glaubensgenossen für Jesus Christus ein. Da er mit ihnen in handgreiflichen Streit kam, wurde sein Bekenntnis zum Anlass für den Befehl seiner Hinrichtung, und daraufhin wurde sein Körper dem Feuer übergeben.5 Heute gilt er offiziell als heiliger Märtyrer der Orthodoxie, sein Gedenktag wird am 18. April gefeiert, und seine Reliquien befinden sich im Kloster Megali Panagia in Jerusalem.

Der heilige Märtyrer Tunom und im Hintergrund die 
brennende Säule, auf einer tragbaren Ikone, die sich 
im Kloster Megali Panagia von Jerusalem befindet.

Eine ebenfalls wichtige Beschreibung der Spaltung der Säule durch ein Wunder begegnen wir in der Chronik des Moldauer Mönchs Parthenius Ageev,6 der Jerusalem 1845 besuchte. Im zweiten Band seiner Chronik erwähnt der Mönch Parthenius, dass die Säule zerrissen wurde, da sie zuvor von einem Blitz getroffen wurde:

„Diese Säule wird von den Orthodoxen wie von den Nicht-Orthodoxen verehrt, sogar von den Armeniern. Ich möchte etwas über diese Begebenheit schreiben, darüber, wie die orientalischen orthodoxen Christen einstimmig davon sprechen und selbst die Türken es bestätigen. An einer Wand gibt es eine Inschrift auf Marmor, und es heißt, dass diese Begebenheit hier aufgeschrieben ist, aber wir konnten es nicht lesen, weil es mit syrischen Buchstaben geschrieben ist, in arabischer Sprache. So habe ich nur davon gehört, es aber nicht gelesen“.

Und er führt weiter unten fort, indem er das Wunder beschreibt:

„Es war schon eine halbe Stunde und mehr vergangen und noch war das Heilige Licht nicht erschienen. Der Tag war klar und schön. Der Patriarch saß auf der rechten Seite. Und plötzlich fiel ein Blitz und auf der linken Seite wurde die mittlere Säule gespalten und aus dem Riss kam ein Feuer. Der Patriarch stand auf und zündete seine Kerzen an und alle Orthodoxen zündeten [ihre Kerzen] an den seinigen an“.7

Die Darstellung des Moldauer Mönchs hat eine besondere Bedeutung, weil sie davon spricht, dass die Spaltung und Entflammung der Säule auf einer Marmorinschrift mit syrischen Buchstaben aufgezeichnet worden war.

Für unsere Forschung ist von Bedeutung, dass es sich in beiden Fällen – sei es, dass die Säule von einem Blitz getroffen wurde, sei es, dass sie von allein zerriss und entflammte – unzweifelhaft um ein Wunder handelt, denn der Patriarch, der sich daneben befand, zündete seine Kerzen mit dem Feuer an, das erzeugt wurde.

Wenn aber ein Feuer oder eine elektrische Entladung die Säule vor 430 Jahren mit einer solch großen Intensität durchfuhr, dann müssen die Spuren noch sichtbar sein.

Der Riss sieht in der Tat verbrannt und von Feuer zerfressen aus; inwieweit aber können diese Korrosionsspuren wissenschaftlich nachgeprüft und bewiesen werden?

Ostern 2008 war die korrodierte Säule ein Forschungsobjekt von Andrej Wolkow. Der russische Physiker schickte Fotografien in hoher Auflösung, die die Spaltung zeigten, an seinen Landsmann, den Spezialwissenschaftler Professor Eugen Michailowitsch Morosow,8 der als weltweite Koryphäe auf dem Gebiet der Bruchmechanik (Fracture Mechanics)9 und der Physik der Materialbelastung gilt.

Professor Eugen Morosow und sein jüngstes wissenschaftliches Werk mit dem Titel „Elastoplastische Bruchmechanik“,10 in dem er die Ergebnisse der zeitgenössischen Laborforschungen zur Riss-Theorie vorstellt und Fragen zum Verhalten von Körpern untersucht, die Risse erlitten haben – von den Kriterien ihrer Entfaltung bis hin zu komplizierteren Problemen der Bruchmechanik.

Professor Eugen Morosow kam nach der analytischen Untersuchung der Fotografien von der zerrissenen Säule – wie dieser, die auf der linken Seite abgebildet ist – zu dem Schluss, dass der konkrete Riss aufgrund seiner Struktur nur als das Ergebnis einer elektrischen Entladung auftreten konnte.

Andrej Wolkow, der mit Eugen Morosow über diese konkrete Fragestellung zusammen gearbeitet hat, sagt folgendes in seinem Interview mit der Zeitung Vera:

„Dieses Zusammentreffen, dass genau zu Ostern, als das Licht nicht herabkam, der Riss auftrat, – ist das nicht ein Wunder? Natürlich könnte jemand sagen, dass das alles fabriziert war und dass der Riss in der Säule auf künstliche Weise entstand. Wir haben uns für Informationen an Eugen Michalowitsch Morosow gewandt, der ein führender Spezialist auf dem Gebiet der Bruchmechanik ist, nicht nur in Russland, son dern in der ganzen Welt, und der über 800 wissenschaftliche Artikel über dieses Thema geschrieben hat. Eugen Michailowitsch hat die analytischen Fotografien des Risses untersucht und ausdrücklich erklärt, dass dieser nur als Ergebnis von elektrischer Entladung hat auftreten können, das zeigt seine Struktur. Was bedeutet das? Dass es völlig unmöglich war, dass jemand diesen Riss hergestellt hat; stellen Sie sich vor, welch einen starken Transformator man hätte haben müssen, und dann im 16. Jahrhundert, als die Menschen noch gar keine Ahnung von der Existenz der elektrischen Energie hatten! Also ist das Zeugnis wahr“.

Auf die wissenschaftliche Meinung von Eugen Morosow ist zweifelsohne ein großes Gewicht zu legen und sie bestätigt die schriftlichen Quellen, die von dem Riss in der Säule durch ein Wunder sprechen. Ich wollte dennoch eine zweite Meinung zum Thema hören. Deshalb wandte ich mich an einen der führenden griechischen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Bruchmechanik, an Professor Georgios A. Papadopoulos,12 von der Universität Athen, dem ich analytische Fotografien des Risses zusandte.

Professor Georgios A. Papadopoulos

Professor Papadopoulos urteilte nach der Begutachtung der Fotografien, dass der Riss in der Säule wirklich von einer elektrischen Entladung herrührte, die sich gleichzeitig mit einer Erdbebenwelle bekundete, deren Richtung von unten nach oben verlief. Diese kombinierte Überbeanspruchung der Säule – elektrische Entladung + Erdbebenwelle – betrachtet er als unerklärlich und kommt daher zu dem Schluss, dass „von einem Wunder und nichts anderem zu sprechen ist“. Professor Papadopoulos sagt in seinem Antwortbrief auf meine Frage per email folgendes:

Lieber Herr Skarlakidis,

ich danke Ihnen für Ihr e-mail vom 31.1.2010. Ich glaube, zu Ihrem bemerkenswerten Werk beitragen zu können. Seit 35 Jahren beschäftige ich mich mit der Experimentellen Bruchmechanik im Labor für Materialbelastung an der Technischen Universität und glaube, dass es sich da, wo es keine wissenschaftliche Erklärung gibt, um ein Wunder handelt.

Ich habe nicht einen Grund, die Handschrift der Bibliothek von München vom Jahr 1634 zu bezweifeln, wo die wundertätige Weise der Spaltung der Säule erwähnt wird, noch auch das Folgende, dass nämlich der griechische Patriarch seine Fackel an diesem Feuer anzündete. Ich glaube nicht, dass ein Wunder bezweifelt werden kann, besonders, wenn es entsprechende Zeugnisse gibt, wie sie von Ihnen angeführt werden.

Wenn wir den Riss auf den Fotografien betrachten, könnten wir daraus schließen, dass er die Folge einer gemischten Belastung ist. Die Verbindung elektrischer Entladung (wahrscheinlich starker Blitz) und starke seismische Schwingung. Die elektrische Entladung hat, wegen der plötzlichen Temperatur- Erhöhung, das Material der Säule längs einer schmalen Zone (Erzeugerin) mürbe gemacht. Die oberflächliche seismische Welle hat die Säule in einer Dreh-Schwingung (Belastung) strapaziert. Diese gleichzeitige Belastung hatte zur Folge, dass der Riss von der Basis der Säule nach oben entlang der von der elektrischen Entladung zerrissenen Zone in einer Zick-Zack-Linie verläuft (wie auf der Fotografie zu sehen ist, verläuft der Riss nicht in gerade Linie). Wenn es wirklich wie oben beschrieben geschah, bleibt nach meiner Meinung diese gemischte (kombinierte) Belastung der Säule unerklärlich.

Folglich kann man nur von einem Wunder sprechen und von nichts anderem.

Lieber Herr Skarlakidis, ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Unterfangen und wünsche Ihnen von ganzem Herzen viel Erfolg.

Hochachtungsvoll,

Georgios Papadopoulos

Professor der Mechanik

Labor für Materialbelastung

Staatliche Polytechnische Metsobio Hochschule

Mit der wunderbaren Begebenheit von der Säule, die zerriss und entflammte, endet unsere weite Wanderschaft durch die Jahrhunderte über das Wunder des Heiligen Lichts. Unsere Reise begann um das Jahr 330, mit der Darstellung der Anzündung der Öllampe, die von dem heiligen Gregor dem Erleuchter auf das Grab Christi gestellt wurde und sie endet im Jahr 1579 mit dem Ereignis, das wir gerade untersucht haben. Es wurden insgesamt 43 Zeugnisse zitiert, die ein jeder nach seinem eigenen Urteil bewerten mag. Da wir diese Zeugnisse in einer Gesamtschau untersuchen, lassen sich drei Charakteristika hervorheben.

In allen Berichten gibt es einen gemeinsamen Faktor: die Angabe über ein Licht oder eine Flamme-Feuer oder einen Blitz, vom Himmel herabkommend vor aller Augen, in einer Epoche, in der es weder Elektrizität noch die Möglichkeit künstlicher Reproduktion eines solchen Phänomens gibt.

Das zweite wichtige Charakteristikum ist das Anzünden der ewigen Lampe und die Beleuchtung eines leeren, dunklen und verschlossenen Grabes – eine Tatsache, die mindestens sechs Jahrhunderte lang auftritt. Die Beleuchtung des Grabinneren wurde freilich nicht nur vom Schein der ewigen Lampe verursacht, sondern überwiegend von dem Licht, das aus dem Felsen selbst, in den der Leib Christi gelegt worden war, ausging. Das dritte wichtige Charakteristikum, das in vielen Berichten auftaucht, ist die Gleichzeitigkeit der beiden oben genannten Phänomene, d.h. die Herabkunft des himmlischen Lichts und das gleichzeitige Anzünden der Öllampe und die Beleuchtung des Grabinneren. Eine Gleichzeitigkeit, die nur durch göttliche Einwirkung gelingen könnte.

Es wurde schon gesagt, dass im vorliegenden Buch Zeugnisse nach 1579 nicht aufgenommen wurden (obwohl es deren genügend gibt) und auch keine neueren Zeugnisse; einerseits, weil eine Übersättigung von Fakten zu befürchten wäre und andererseits, weil ein solches Unterfangen einen zu großen Raum beanspruchen
würde. Zudem ist die Anlage des Buches rein historisch und insbesondere auf die ersten Jahrhunderte, wo das Wunder schriftlich erfasst worden ist, ausgerichtet. Trotzdem haben wir es für notwendig erachtet, elf neuere Zeugnisse, die besonders interessant sind, mit aufzunehmen.

Die beiden ersten stammen von zwei Augenzeugen: dem Moldauer Mönch Parthenius (1846) und dem englischen Archäologen Warren, der das Wunder in vier aufeinanderfolgenden Jahren, von 1867 bis 1870, miterlebte. Mit diesen beiden Beschreibungen erreichen die historischen Zeugnisse die Gesamtzahl 45.

Die folgenden sieben Zeugnisse stammen von fünf griechischen Patriarchen und zwei Bischöfen, die als Oberhaupt der Feier das Wunder genau so beschreiben, wie sie es im Heiligen Grab erlebten. Auf diese Weise erhalten wir ein vollständigeres Bild über das Geschehen im Grab selbst zum Zeitpunkt der Erscheinung des Heiligen Lichts. Ein zehntes neueres Zeugnis von einzigartigem Interesse stammt von dem einzigen Menschen, der das Wunder im Grab miterlebte, ohne das Recht dazu zu haben. Es handelt sich um den griechischen Mönch Mitrophanis, der sich am Großen Samstag 1926 auf dem Dach der Heiligen Grabkapelle versteckte, um das Wunder von nahem zu erleben.

Das elfte und letzte neuere Zeugnis stammt vom Autor selbst, und zwar vom Großen Samstag 2008. Lassen Sie uns mit dem persönlichen Zeugnis beginnen.

* * *

Einzelnachweise:

1. Im Pilgerbuch der heiligen Stadt Jerusalem und ganz Palästinas (S. 49), das 1787 in Wien von Chrysanthos Proussis herausgegeben wurde, wird gesagt, dass dies geschah, „zu der Zeit, als seine Heiligkeit seligen Andenkens Herr Sophronios Patriarch von Jerusalem war, Jeremias Patriarch von Konstaninopel, Silvester Patriarch von Alexandrien und Joachim von Antiochien, während unter Herrschaft von Sultan Murat“.

2. Der türkische Sultan Murat III. regierte 1574-1595, Sophronius IV. war Patriarch von Jerusalem 1579-1608, Jeremias II. von Konstantinopel 1572-1579, Joachim IV. von Antiochien 1553-1592. Das einzige allen gemeinsame Jahr war also 1579.

3. Die Handschrift besitzt die Nr. 346 im Katalog von Ignaz HARDT, Catalogus codicum manuscriptorum graecorum bibliothecae regiae Bavaricae, Bd. 3, München 1812, S. 547-548.

4. Pilgerbuch von Jerusalem und den übrigen Heiligen Stätten, 1608-1634, hrsg. von A. Papadopoulos- Kerameus, S. 17 .

5. Über den arabischen Emir führt die Wiener Ausgabe folgendes an: „Es sind aus dieser Zeit auch ein paar Nägel da, eingeschlagen in die Erde vor der Schwelle der heiligen Tür zur Erinnerung an das Wunder, das geschah; die [Nägel], wie man sagt, schlug ein Emir ein, der, als er dieses ungeheure Wunder sah und sofort an Christus glaubte, laut ausrief: Der Glaube der Christen ist der eine [wahre], und er schlug diese Nägel einen nach dem anderen in den Stein wie in weiches Wachs, und dieser Mann wurde Märtyrer und im Feuer verbrannt“ (Symeon, Pilgerbuch der Heiligen Stadt Jerusalem, Wien 1749, S. 20) [gr.]. Der Vorfall mit den Nägeln wird auch kurz in der Handschrift des Mönchs Ananias erwähnt, nämlich so: „Es befinden sich einige in die Erde eingeschlagene Nägel vor der heiligen Tür. Man sagt, dass sie zu dieser Zeit eingeschlagen wurden“ (Bl. 87r).

6. Der Mönch Parthenius wurde 1807 in Iasi, Rumänien, geboren.

7. Übersetzung nach der Ausgabe Monk PARTHENIUS, Holy Week and Pascha in Jerusalem, in: Orthodox Life, Bd. 34, 2 (1984), New York, Jordanville. Vgl. auch K. MILIARAS, Historische Studie über das Heilige Licht, Jerusalem 1934, S. 17 [gr.].

8. Eugen Morosow, geboren 1927, ist Professor für Physik der Materialbelastung (Physics of Strength) am Institut Mechanische Physik in Moskau. Er hat mathematische Gleichungen aufgestellt, Computerprogramme und spezielle Theorien über die charakteristischen Eigenschaften des Materialwiderstands bei der Bildung von Rissen einschließlich der Grenzen des Materialwiderstands entwickelt. Seine akademische Karriere und Forschungstätigkeit begann 1951 und setzt sich, mit vielfachen Auszeichnungen und Ehrungen, bis heute fort.

9. Die Bruchmechanik ist die Wissenschaft, die sich mit der Erforschung von Brüchen und der Bildung von Rissen im Material befasst. Sie gebraucht Methoden der analytischen Mechanik, um die Kraft zu kalkulieren, die bei der Bildung eines Risses ausgeübt wird, und benutzt experimentelle Methoden, die die Widerstandsfähigkeit eines Materials hinsichtlich seiner Bruchund Reißfestigkeit berechnen.

10. Das Werk wurde von Morosow und Wladimir Parton geschrieben mit dem russischen Titel Elastoplastic
Fracture Mechanics. Special problems of Fracture Mechanics.

11. Zeitung Vera vom 21. April 2009.

12. Georgios A. Papadopoulos ist Professor für Material-Mechanik an der Nationalen Technischen Metsovio Universität Athen und Autor vieler Schriften und wissenschaftlicher Artikel auf dem Gebiet der Bruchmechanik. Vgl. G.A. PAPADOPOULOS, Fracture Mechanics: The Experimental Method of Caustics and the Det. – criterion of Fracture, London: Springer Verlag, 1993. Vgl. auch PAPADOPOULOS, Experimentelle Bruchmechanik (Optische Methoden der Analyse von Tendenzen), Athen 1998 [gr.].

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Eine andere Feier

Erlebnis des Metropoliten Athanasios von Lemessos (Zypern) beim Hl. Paisios

Am Vortag des Festes der Erhöhung des Ehrwürdigen Kreuzes im September 1977 ging ich zum Vater Paisios. Es war Montag. Ich klopfte in den frühen Morgenstunden an die Tür und der Vater Paisios öffnete.

Er war sehr glücklich und fröhlich. “Ein Glück, dass du gekommen bist, Diakon“, sagte er zu mir: „Ich habe morgen einen festlichen Gottesdienst. Sänger werden kommen, ich habe Fisch bestellt, doch es fehlte ein Diakon. Du bist gekommen, somit ist alles gut für das Fest.“ Er erzählte auch andere solche heiteren Dinge. Dann sagte er zu mir: „Du bleibst heute Nacht hier.“ Ich wusste, dass der Vater Paisios sonst niemanden über Nacht bei sich behielt. Als er es mir vorschlug, schwebte ich vor Freude.

Wir gingen in die Kirche, dort ordnete ich den Altar, wischte den Staub weg, fegte den Durchgang und erledigte noch andere verschiedene Arbeiten. Ich fühlte in mir eine große Freude. Mittags aßen wir gemeinsam. Er machte Tee, brachte Zwieback und erntete wildes Gemüse in seinem Garten.

Ich war beeindruckt von unseren Gebeten. Der Vater Paisios sagte das „Vater unser …“, hob die Hände und sagte es mit einer solchen Leidenschaft und Hingabe, als ob er wirklich mit Gott sprach.

Dann brachte er mich in eine Zelle, und ich ruhte mich für eine Stunde aus.

Danach beteten wir den kleinen Esperinos mit dem Kombos’chini.

Als wir fertig waren, sagte mir der Vater Paisios: „Schau Diakon, jetzt werden wir Nachtwache halten mit dem Kombos’chini und morgen früh kommt der Priester für die Göttliche Liturgie. Weißt du wie man Kombos’chini betet? Ich sage dir was Du tun mußt“. Er gab mir eine Anleitung. Es war ein kluger Plan, damit ich die Nacht durchhalte.

Ich sollte einen Kombos’chini mit dreihundert Knoten beten und sagen “Herr Jesus Christus sei mir gnädig” dann sollte ich einen Kombos’chini mit hundert Knoten für Jungfrau Maria beten.

Einen Dreihunderter Kombos’chini an Jesus für die Lebenden. Einen Hunderter Kombos’chini an die Jungfrau Maria für die Lebenden. Einen Dreihunderter Kombos’chini an Jesus für die die Toten. Einen Hunderter Kombos’chini an die Jungfrau Maria für die Toten. Einen Dreihunderter Kombos’chini zu Ehren des an Heiligen Kreuzes und dann einen Dreihunderter zu Ehren unseres Gott.

Zum ersten Mal hörte ich, dass man so was tat. Er erklärte mir: „Dieses Gebet mit dem Kombos’chini ist eine Doxologie. Wenn du fertig bist wirst du wieder von vorne beginnen.“

Er sagte mir; „Wenn du Lärm hörst, erschrick nicht. Es gibt hier Wildschweine und Schakale.“ Er brachte mich in ein kleines Zimmer und sagte: „Um Mitternacht werde ich dich rufen, damit wir in die Kirche gehen und die Kommunionvorbereitung lesen.“ Ich hörte den Vater Paisios gelegentlich tief seufzen. Gelegentlich klopfte er an die Mauer und fragte: „Nun, Diakon, schläfst du? Ist alles gut?”

Um Mitternacht gingen wir in die Kirche. Er setze mich auf den einzigen Chorstuhl und gab mir eine Kerze damit ich die Kommunionvorbereitung lese. Er stand links neben mir und begann zu sagen: „Ehre dir unser Gott, Ehre dir.“ Jedes Mal wenn er das sagte, bekreuzte er sich und verneigte sich. Als wir zum Theotokion “Maria, Mutter Gottes …”, nach dem „Allheilige Gottesmutter errette uns“ kamen, fühlte ich etwas … Ich kann nicht beschreiben was es war und blieb stehen.

Plötzlich begann sich die Öllampe der Allheiligen (Gottesmutter) zu bewegen, nicht heftig aber ständig machte sie eine Bewegung so breit wie die Ikone, die hinter ihr stand. Die ganze Kirche war von Licht durchflutet. Ich konnte auch ohne Kerze sehen und dachte daran sie zu löschen.

Ich drehte mich zum Vater Paisios. Er hatte seine Hände vor der Brust gekreuzt und verneigte sich nach unten. Er verstand, dass ich ihn fragen wollte, und deutete mit seiner Hand, dass ich nicht sprechen solle. Ich blieb im Chorstuhl und der Vater Paisios verbeugte sich neben mir. Ich fühlte so viel Liebe und Hingabe für den Vater Paisios und dachte, ich sei im Paradies.

Wir blieben in dieser Situation eine halbe oder eine Stunde lang, ich weiß nicht genau wie lange. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Unbewusst laß ich weiter die Kommunionvorbereitung. Als ich sagte “Von schmutzigen Lippen …” verblasste langsam das Licht und erst dann hörte die Öllampe auf sich zu bewegen. Wir beendeten die Kommunionvorbereitung und gingen hinaus in den Flur. Ich setzte mich auf einem Hocker, er setzte sich auch und war still. Nach einer Weile fragte ich ihn:

-Vater Paisios, was war das?

-Was?

-Die Öllampe. Wie hat sich die Öllampe bewegt?

-Was hast du gesehen?

-Die Öllampe der Allheiligen bewegte sich von Seite zu Seite.

-Nur das hast du gesehen?

-Und Licht.

-Etwas anderes?

-Ich sah nichts anderes. (Da der Vater Paisios fragte, was ich sonst noch gesehen habe, scheint es, dass er etwas mehr sah als ich).

-Nun, da war nichts.

-Wie nichts, Vater Paisios? Es bewegte sich die Öllampe und es war Licht!

-Hast du nicht gehört, was die Bücher schreiben, dass die Allheilige alle Zellen der Mönche besucht und sieht, was sie tun? Sie kam hier vorbei, sah zwei verrückte und um uns zu begrüßen, schüttelte sie die Öllampe.

Dann begann er mir unterschiedliche Erfahrungen zu erzahlen. Er erzählte, wie er die heilige Euphemia sah und vieles andere. Es veränderte sich seine ganze Stimmung. Bis zum Morgen sprach er zu mir. Er sagte: „Ich sage dir das alles, Diakon, aus Liebe, um dir zu helfen und nicht damit du denkst, dass ich etwas Großes bin.”

Um 5.30 Uhr kam der Priester und der Vater Paisios wollte, dass ich an der Göttlichen Liturgie teilnehme, aber ich hatte keine Gewänder. Er brachte mir einige alte Gewänder und zog sie mir an. Ich sah aus wie ein Clown, aber es war die schönste Liturgie meines Lebens. Es waren nur wir drei. Er hielt mich bei sich bis Samstag. Er schickte mich einmal zu Bourazeri (ein kleines Kloster), um meine Freunde zu treffen und dort zu Mittag zu essen. Und dann wieder schickte er mich ins Kloster Stavronikita zu Essen, weil er in seiner Zelle nur Tee und Zwieback hatte.

Mönch Isaak, Leben des Vater Paisios Paisios, Kapsala, Berg Athos, 2004, Seiten: 256-261.



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Denn falls die Sünde für eine lange Zeit im Menschen lebt, bekommt der Teufel selbstverständlich dann große Rechte auf den Menschen

Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994)

Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994):

Wenn wir sehen, dass unser Haus – das Herz, zu einem Zuhause des Feindes wurde, einer Hütte am Hähnchenschenkel, dann müssen wir sie umgehend zerstören, damit der Teufel, unser böser Mieter, fortgeht. Denn falls die Sünde für eine lange Zeit im Menschen lebt, bekommt der Teufel selbstverständlich dann große Rechte auf den Menschen.


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Niels Christian Hvidt, Das Wunder des Heiligen Feuers von Jerusalem

„Am Heiligen Samstag sammeln sich die Gläubigen in großenGruppen in der Grabeskirche, da an diesem Tag Feuer vom Himmel herabkommt unddie Lampen in der Kirche entzündet.“ So liest man in einem der vielenOsterreiseführer des Heiligen Landes.

„Das Wunder des heiligen Feuers“ ist den orthodoxen Christen als das“größte aller christlichen Wunder“ bekannt. Es findet jedes Jahr zur selben Zeit, aufdie selbe Art und am selben Ort statt. Von keinem anderen Wunder ist bekannt,dass es mit einer solchen Regelmäßigkeit und für so einegroße Zeitspanne geschieht. Man kann über dieses Wunder bereits inQuellen aus dem achten Jahrhundert lesen. Das Wunder ereignet sich in derGrabeskirche in Jerusalem, für Millionen von Gläubigen der heiligsteOrt auf der Erde. Die Grabeskirche selbst ist ein rätselhafter Ort.Theologen, Historiker und Archäologen nehmen an, dass die Kirche sowohlGolgatha, den kleinen Hügel, auf dem Jesus Christus gekreuzigt wurde, alsauch das „neue Grab“, nahe bei Golgatha, wo sein Leichnam, wie in denEvangelien beschrieben, bestattet wurde, enthält. Die Christen glauben,dass er genau an diesem Ort von den Toten auferstanden ist.

Das Wunder lässt sich durch die Jahrhunderte in den vielenReiseberichten des Heiligen Landes verfolgen. Der russische Priester Danielbeschreibt das „Wunder des heiligen Feuers“ und die es umrahmenden Zeremoniensehr detailliert in seiner Reisebeschreibung aus den Jahren 1106/07. Ererinnert sich darin, wie der Patriarch die Grabeskapelle (Anastasis) mit zweinicht brennenden Kerzen betritt. Er kniet vor dem Stein auf den Christus nachseinem Tode aufgebahrt wurde und sagt bestimmte Gebete, worauf das Wundergeschieht. Licht geht aus dem Inneren des Steines hervor – ein blaues, undefinierbares Licht, dass nach einiger Zeit Öllampen, sowie die zwei Kerzen des Patriarchen entzündet. Das Lichtist „das Heilige Feuer“ und breitet sich zu allen Menschen, die sich in derKirche aufhalten, aus. Die Zeremonie um „Das Wunder des Heiligen Feuers“ istwohl die älteste, unverändert praktizierte christliche Zeremonie inder Welt. Seit dem vierten Jahrhundert bis zum heutigen Tage berichtenverschiedenste Quellen von seiner Ehrfurcht einflössenden Kraft. Ausdiesen Quellen geht hervor, dass das Wunder durch die Jahrhunderte immer amselben Ort, dem selben Feiertag und im selben liturgischen Rahmen gefeiertwurde. Man kann sich fragen, ob es auch im Jahr 1998 geschehen würde.

Um dies heraus zu finden, bin ich nach Jerusalem gereist, um bei derZeremonie während der „Das Wunder des Heiligen Feuers“ geschieht, anwesendzu sein. Ich kann bezeugen, dass es nicht nur in der antiken Kirche undwährend des Mittelalters, sondern auch am 18. April 1998 geschah. Dergriechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem. Diodorus I. ist der Mann, derjedes Jahr das Grab betritt, um das Heilige Feuer zu empfangen. Er istPatriarch von Jerusalem seit 1982 und somit der Kronzeuge für das Wunder.Vor der diesjährigen Zeremonie empfing uns der Patriarch zu einerPrivataudienz, bei der ich die Möglichkeit hatte, mit ihm über dasWunder zu sprechen um herauszufinden, was genau im Grab passiert und was dasWunder für ihn persönlich bedeutet. Weiterhin bekam ich durch seineHilfe die Erlaubnis, den Balkon der Grabeskirche zu betreten, von dem aus icheinen guten Überblick über die in Erwartung des „Großen Wundersdes Heiligen Feuers“ um das Grab versammelte Menge hatte.

Was genau passiert in der Grabeskirche am Oster-Samstag? Warum hat dasWunder so einen starken Einfluss auf die orthodoxe Tradition? Warum scheint esso, als ob niemand in den katholischen und protestantischen Ländern etwasüber das Wunder gehört hat?

Eine der berühmtesten Zeremonien der orthodoxen Kirche

Das Wunder geschieht jedes Jahr am orthodoxen Ostersamstag. Es gibtviele Arten von orthodoxen Christen: syrische, armenische, russische undgriechisch-orthodoxe, sowie die Kopten. In der Grabeskirche gibt es alleinsieben verschiedene Denominationen. Das Datum des orthodoxen Osterfestesrichtet sich nach dem Julianischen Kalender und nicht nach dem in Westeuropaüblichen Gregorianischen Kalender. Dies hat zur Folge, dass das orthodoxeOsterfest auf ein anderes Datum fällt, als das protestantische undkatholische.

Seitdem Konstantin der Große Mitte des vierten Jahrhunderts dieheilige Grabeskirche errichten ließ, wurde sie viele Male zerstört.Die Kreuzfahrer bauten die Kirche, wie wir sie heute sehen können. UmJesus Grab wurde eine kleine Kapelle mit zwei Räumen errichtet – einkleiner Raum vor dem Grab und der Grabraum selber, in den nicht mehr alsfünf Leute passen. Diese Kapelle ist der Mittelpunkt der wunderbarenEreignisse. An keinem anderen Tag ist die heilige Grabeskirche so gefüllt,wie am Ostersamstag. Wer in die Kirche eintreten möchte, muss mit bis zusechs Stunden Wartezeit rechnen. Wegen des großen Andrangs, schaffen esjedes Jahr mehrere hundert Menschen überhaupt nicht bis in die Kirche.Pilger von allen Enden der Erde kommen, die Mehrheit aus Griechenland, in denletzten Jahren ein zunehmender Anteil aus Russland und den ehemaligenOstblockländern.

Um dem Grab so nah wie möglich zu sein, kampieren Pilger inErwartung des Wunders um die Grabeskapelle schon ab dem Nachmittag desKarfreitags. Das Wunder ereignet sich um 14:00 Uhr, aber bereits gegen elf Uhrist die Kirche wie ein siedender Kessel.

Die Feier

Von etwa elf Uhr bis um 13:00 Uhr singen die arabischen lauthalstraditionelle Lieder. Diese Lieder gehen auf die türkische Besatzung vonJerusalem im 13. Jahrhundert zurück, einer Zeit, in der die Christen ihreLieder ausschließlich innerhalb ihrer Kirchen singen durften. „Wir sinddie Christen, das sind wir seit Jahrhunderten und wir werden das für immerund ewig sein. Amen!“ singen sie aus voller Kehle, von Trommeln begleitet. DieTrommler werden dabei von anderen auf den Schultern getragen, die wild um dieGrabeskapelle herumtanzen. Aber um 13:00 Uhr klingen die Lieder aus und danachherrscht Stille – eine gespannte, geladene Stille, elektrisiert von derErwartung der großen Manifestation von Gottes Kraft die alle erfahrenwerden.

Um 13:00 Uhr schiebt sich eine Delegation der lokalen Autoritätendurch die Menge. Obwohl diese Offiziellen keine Christen sind, sind sie dochTeil der Zeremonie. In der Zeit der türkischen Besatzung Palästinaswaren sie moslemische Türken, heute sind sie Israelis. Seit Jahrhundertenist die Anwesenheit dieser Offiziellen integraler Bestandteil der Zeremonie,denn sie repräsentieren die Römer aus der Zeit Jesu. Die Evangelienberichten von Römern, die das Grab Jesu versiegelten, so dass seineJünger den Leichnam nicht stehlen konnten, um nachher zu behaupten, erwäre auferstanden. Genauso versiegeln heute die israelischenAutoritäten das Grab mit Wachs. Vor dem versiegeln der Tür ist esüblich dass sie das Grab nach versteckten Feuerquellen durchsuchen, diedas Wunder durch Betrug ermöglichen würden. Genau wie damals dieRömer garantierten, dass es nach dem Tode Jesu keine Manipulationen gab,garantieren heute die israelischen Vertreter, dass 1998 nicht betrogen wird.

Das Zeugnis des Patriarchen

Nachdem das Grab überprüft und versiegelt wurde, singt dieganze Kirche das Kyrie Eleison (Herr,erbarme Dich). Um 13:45 Uhr betritt der Patriarch die Szenerie. An der Spitzeeiner großen Prozession umkreist er das Grab dreimal, wonach er seinerliturgischen Kleider entledigt wird, bis auf ein weißes Gewand, dass erals ein Zeichen von Demut vor der großen Kraft Gottes trägt, die ernun erfahren wird. Alle Öllampen sind bereits in der vorherigen Nachtgelöscht worden und nun verlöschen alle übrigen künstlichenLichtquellen, so dass ein Grossteil der Kirche in Dunkelheit gehüllt ist.Mit zwei großen Kerzen betritt der Patriarch die Grabeskapelle – zuerstden kleinen Raum vor dem Grab und dann das Grab selber. Es ist unmöglich,die Ereignisse im Grab zu verfolgen, deshalb habe ich den Patriarchen vonJerusalem, Diodorus, über das Geschehen dort befragt:

„Eure Seligkeit, was passiert, wenn ihr die Heilige Grabeskapelle betretet?“

„Ich betrete das Grab und knie in heiliger Furcht vor dem Platz nieder,auf den Jesus nach seinem Tode gebettet wurde und von dem er von den Totenwieder auferstanden ist. In der Heiligen Grabeskapelle selber zu beten, istfür mich immer ein sehr heiliger Moment an einem sehr heiligen Ort. Vonhier aus ist Er in Herrlichkeit auferstanden, und von hier aus hat er seinLicht in alle Welt verbreitet. Johannes schreibt im ersten Kapitel seinesEvangeliums, dass Jesus das Licht der Welt ist. Kniend in der unmittelbarenNähe des Ortes, von dem Er von den Toten auferstanden, wird man in derunmittelbare nähe seiner glorreichen Auferstehung gebracht. Katholiken undProtestanten nennen diese Kirche „die Grabeskirche“. Wir nennen sie „dieAuferstehungskirche“. Die Auferstehung Christus ist für uns Orthodoxe dasZentrum unseres Glaubens. Durch Seine Auferstehung hat Christus denendgültigen Sieg über den Tod errungen, nicht nur über seinenTod, sondern auch über den Tod aller die nahe bei Ihm stehen werden.

Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass das Heilige Feuer genau andiesem Ort herabkommt. Bei Matthäus 28,3 steht, dass bei ChristusAuferstehung ein Engel erschienen ist, der in ein furchterregendes Lichtgekleidet war. Ich glaube, dass dieses Licht, das den Engel während JesuAuferstehung umhüllt hat, das selbe Licht ist, das auf eine wunderbareWeise jeden Ostersamstag erscheint. Christus will uns erinnern, dass seineAuferstehung Realität ist und nicht nur ein Mythos; er kam wirklich in dieWelt um durch seinen Tod und seine Auferstehung das notwendige Opfer zu bringen,damit dem Menschen die Wiedervereinigung mit seinem Schöpferermöglicht würde.“

Das Blaue Licht

„Ich suche meinen Weg bis in den Grabraum in der Dunkelheit und falleauf die Knie. Hier spreche ich bestimmte Gebete, die uns durch Jahrtausendeüberliefert wurden und warte dann. Manchmal warte ich ein paar Minuten,aber meistens passiert das Wunder gleich nachdem ich gebetet habe. Aus demInnern des Steins, auf dem Jesus aufgebahrt wurde, entweicht einunbeschreibbares Licht. Normalerweise hat es eine blaue Nuance, aber die Farbekann sich ändern und kann viele Töne annehmen. Mann kann es mitmenschlichen Worten nicht beschreiben. Das Licht steigt aus dem Stein empor, sowie Nebel aus einem See. Es sieht fast so aus, als ob der Stein von einer Wolkeumgeben ist, aber es ist Licht. Das Licht verhält sich jedes Jahrunterschiedlich, manchmal bedeckt es nur den Stein, ein andermal leuchtet derganze Grabraum, so dass die Menschen, die in der Kirche warten, das Grab vonLicht erfüllt sehen. Das Licht brennt nicht- ich habe mir in dem 16Jahren, in denen ich nun Patriarch von Jerusalem bin und das heilige Lichtempfange, noch nie den Bart verbrannt. Das Licht hat eine andere Konsistenz alsdas Feuer, das in den Öllampen brennt.“

„An einem bestimmten Punkt steigt das Licht empor und bildet eineSäule, in der das Feuer sich anders verhält, so dass ich meine Kerzenanzünden kann. Nachdem ich das Feuer empfangen habe, gehe ich nachdraußen und gebe das Feuer zuerst dem armenischen und dann dem koptischenPatriarchen und dann allen Menschen, die sich in der Kirche befinden.“

Die Symbolische Bedeutung des Wunders

„Wie erleben Sie das Wunder und was bedeutet es für Ihrspirituelles Leben?“

„Das Wunder bewegt mich jedes Jahr aufs neue tief. Jedes mal bedeutetes einen weiteren Schritt zu meiner Bekehrung. Für mich persönlichist es ein großer Trost, Christus Treue zu uns zu erleben, die Er dadurchbeweist, dass Er uns das Licht jedes Jahr trotz unserer Schwächen undVersagen wieder sendet. Wir erleben viele Wunder in unsere Kirche, und Wundersind nichts Fremdes für uns. Es passiert oft, dass Ikonen weinen, wenn derHimmel uns zeigen will das er uns nahe ist; wir haben auch Heilige, denen Gottviele geistige Gaben schenkt. Keines dieser Wunder hat jedoch so einedurchdringende und symbolische Bedeutung für uns, wie das Wunder des Heiligen Lichtes. Das Wunderist beinahe wie ein Sakrament. Es vergegenwärtigt die AuferstehungChristi, als ob sie nur vor ein paar Jahre n geschehen wäre.“

Während der Patriarch in der Kapelle vor dem Grab kniet, ist eszwar stockdunkel draußen, aber deswegen herrscht noch lange keine Stille.Man hört ein lautes Murmeln, die Atmosphäre ist sehr gespannt. Wennder Patriarch mit den zwei brennenden Kerzen hervortritt, die die Dunkelheiterhellen, hallt ein lautes Jubeln in der Kirche wieder, vergleichbar mit demTorschrei bei einem Fußballspiel.

Das Wunder führt zum Glauben

Das Wunder beschränkt sich nicht nur auf das, was sich in derKapelle, wo der Patriarch betet abspielt. Was wahrscheinlich viel bedeutsamerist, sind Berichte darüber, dass das blaue Licht auch in der Kircheerscheint und „aktiv“ ist. Jedes Jahr berichten immer wieder vieleGläubige, dass dieses wundersame Licht Kerzen, die sie in der Handhielten, ganz von selbst entzündete.

Jeder in der Kirche wartet mit Kerzen in der Hand, in der Hoffnung,dass sie sich spontan entzünden werden. Oft fangen erlöschteÖllampen vor den Augen der Pilger spontan an zu brennen. Man sieht, wiesich das blaue Feuer an verschiedene Stellen in der Kirche bewegt.

Eidesstattliche Erklärungen von Pilgern, deren Kerzen sichentzündeten, bezeugen die Authentizität dieser Entzündungen.

Die Person, die das Wunder aus der Nähe erlebt – entweder dadurch,dass sich eine Kerze in der Umgebung spontan entzündet, oder dadurch, dasssie das blaue Feuer sieht – verlässt Jerusalem als veränderterMensch. Für jeden, der an dieser Zeremonie teilnimmt, gibt es immerein“vor“ und „nach dem Wunder desheiligen Feuers in Jerusalem“.

Unbekannt im Westen

Man kann sich fragen, warum das Wunder in Westen Europas fast unbekanntist. In den protestantischen Gebieten wäre eine möglicheErklärung, dass hier keine Tradition der Wunder existiert. Die Menschenwissen nicht, in welche „Schublade“ sie das Wunder einordnen sollen, und dieMedien registrieren es nicht als solches. In der katholischen Welt jedoch gibtes eine starke Tradition und ein großes Interesse für Wunder, warum also ist es kaum bekannt?

Dafür reicht eine einzige Erklärung: Kirchenpolitik!

Nur die Orthodoxe Kirche feiert die Zeremonie, während das Wundergeschieht. Es ereignet sich nur während der orthodoxen Osterfeier, ohnedass katholische Geistliche teilnehmen. Einige orthodoxe Christen werten diesals einen Beweis, dass die orthodoxe Kirche die einzig legitime Kirche Christiin der Welt ist, und diese Sichtweise bereitet manchen katholischen KreisenSchwierigkeiten.

Die Frage der Authentizität

So wie bei anderen Wundern auch, gibt es Menschen, die der Auffassungsind, dass alles Betrug, und nichts als ein Meisterstück orthodoxerPropaganda ist. Sie glauben, dass der Patriarch eine Feuerquelle im Grab hat.Diese Kritiker sehen sich mit einer Reihe von Fragen konfrontiert.Streichhölzer und andere Feuerquellen sind relativ junge Erfindungen. Esist nur ein paar hundert Jahre her, als das Entzünden von Feuer war einelangwierige Angelegenheit war,die viellänger als die paar Minuten gedauert hat, die der Patriarch im Grabverbringt. Man könnte auch vermuten, dass sich eine versteckteÖllampe im Grab befindet, mit deren Hilfe die Kerzen entzündetwerden. Dem steht jedoch das Zeugnis der Offiziellen gegenüber, die dasGrab kontrolliert und nichts gefunden haben.

Das stärkste Argument gegen einen Betrug ist aber nicht dasZeugnis der Patriarchen.

Die Kritik muss sich den Tausenden von unabhängigen Zeugnissen derPilger, deren Kerzen sich spontan und ohne eine plausible Erklärungentzündet haben, stellen. Nach unseren Recherchen es war bisher nichtmöglich, das spontane Entzünden einer Kerze zu filmen. Ich bin aberim Besitz einer Videosequenz, dievondem jungen Ingenieur Souhel Nabdiel aus Bethlehem gefilmt wurde. Herr Nabdielhat seit seiner frühen Kindheit an der Zeremonie teilgenommen. Im Jahre1996 wurde er gebeten, die Zeremonie vom Balkon der Kirche aus zu filmen. Mitihm auf dem Balkon befanden sich noch eine Nonne und vier weitereGläubige. Die Nonne stand rechts von Herr Nabdiel. Auf dem Video kann mansehen, wie er zuerst die Menge unten in der Kirche aufnimmt. Als der Momentgekommen ist, an dem der Patriarch ins Grab eintritt, um das Heilige Feuer zuempfangen, erlöschen alle Lichter. Während der Patriarch sich noch imGrab befindet, hört man auf dem Video einen überraschten Aufschrei von der Nonne, die neben Herrn Nabdiel steht.

Die Videokamera beginnt zu wackeln, und man kann die aufgeregte Stimmender sich auf dem Balkon befindenden Gläubigen hören. Die Kamera drehtsich jetzt nach rechts, wo sich die Ursache der Aufregung befindet. Einegroße Kerze, die von der russischen Nonne gehalten wird, entzündetsich vor den Augen der Anwesenden, noch bevor der Patriarch aus dem Grab herausgekommen ist. Mit zitternden Händen hält sie die Kerze, währendsie sich immer wieder in Ehrfurcht vor der großen Macht, deren Zeugin siegerade geworden war, bekreuzigt. Diese Videosequenz scheint die besteerhältliche filmische Dokumentation des Wunders zu sein.

Wunder können nicht bewiesen werden

Das Wunder wird – wie alle Wunder – von unerklärlichen Faktorenbegleitet. Wie der ErzbischofvonTiberias, Alexios, gesagt hat, als ich ihm in Jerusalem getroffen habe:

„Das Wunder wurde nie gefilmt und wird wahrscheinlich auch nie gefilmtwerden. Wunder können nicht bewiesen werden. Glaube ist die Voraussetzung,damit ein Wunder Frucht im Leben einer Person bringt, und ohne diese Glaubengibt es keine Wunder im exakten Sinne.

Das wahre Wunder in der christlichen Tradition hat nur einen Sinn: Gotterweist seiner Schöpfung seine Gnade, und Gott kann diese Gnade nicht ohneden Glauben seiner Geschöpfe erweisen. Deshalb kann es kein Wunder ohneGlauben geben.“

Meinardus Otto: The ceremony of the Holy Fire in the Middle Ages andto-day.

Bulletin de la Societe d`Archeologie Copte, 16, 1961-2.242-253

Klameth, Dr. Gustav. Das Karsamstagfeuerwunder der heiligenGrabeskirche.

Wien,1913

Translator: Daniela Gaisler



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Esoterik Yoga östliche Religion, dämonen, Götter Heil oder Unheil?

Klaus Kenneth, Deutschland

Esoterik, Yoga, Buddhismus, östl. Mystik, Übersinnliches, Heilsangebote: etwa jeden Monat ein Neues!

„Zeit meines Lebens habe ich gelernt , Theorie, Theologien und allen -ismen gründlichst zu misstrauen.

Mit geschickten Worten und etwas Erfahrung in Psychologie kann man jeden Menschen alles andrehen. Wo war der Guru, der seine Lehre lebt? Die wirklichen Motive waren Sex, Macht oder Geld“.‘

Herzlose Erbarmungslosigkeit‘, ‚gnaden‘ -lose Egozentrik lassen uns in die Falle eines Ersatz-Lebens, einer ‚viritual reality’laufen. Wer will schon glauben, dass Yoga eine einbahnstrasse in die Selbstvernichtung ist?

Die Fata Morgana sind wir selbst, solange wir von Gott getrennt sind.

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In den Fällen, wenn der Teufel große Rechte auf einen Menschen hat

Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994)

Hl. Paisios vom Berg Athos, Griechenland (+1994):

In den Fällen, wenn der Teufel große Rechte auf einen Menschen hat, über ihn herrscht, sollte die Ursache dessen gefunden werden, weshalb es so passiert ist, damit der Teufel die Rechte verliert. Anderenfalls ist es egal, wie viel die anderen Menschen für ihn beten – der Feind geht nicht fort. Er verstümmelt den Menschen. Die Priester führen mehrere Exorzismen durch, aber dem Unglücklichen wird es schließlich noch schlechter, weil der Teufel ihn stärker als früher quält.


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Hl. Paisios, der Agiorit, Griechenland (+1994)

Mit Beschluss der ständigen Synode des Ökumenischen Patriarchats in Konstantinopel wurde am Dienstag, 13. Januar 2015, der Mönch Paisios der Agiorit in den Heiligenkalender der Orthodoxen Kirche eingetragen. Die Freude ist groß, denn der neue Heilige der Kirche ist vielen Menschen persönlich bekannt, hat vielen Gläubigen geholfen, ist wegweisend in seinen Schriften. Wer ihm begegnen durfte, erlebte reine Liebe und absolute Demut, einen Gottes- und Menschenfreund.

Gerontas Paisios stammt aus Kleinasien, wo er am 25.7.1924 im Dorf Phásara als siebtes von 10 Kinder der Prodromos und Evlogia Eznepidis (d.h. türkisch Ausländer) geboren wurde. Der Pfarrer des Ortes war der heilige Arsenios der Kappadokier (1841-1920), der bei der Taufe statt Christos seinen eigenen Namen dem kleinen Säugling gab. Nur wenige Tage wurde die griechische Enklave vertrieben und ausgesiedelt. Über Kerkyra und Igoumenitsa zog die Familie nach Kónitsa im Epiros. Der kleine Arsenios fiel schon früh durch sein Interesse am Lesen des Evangeliums und von Heiligengeschichten auf, er sonderte sich ab und versuchte das Gelesene nachzuahmen und asketisch zu leben. Später erlernte er die Holzschnitzerei, die er auch auf dem Athos ausübte. Im Alter von 21 Jahren wurde er 1945 zum Militärdienst eingezogen und als Funker im Bürgerkrieg gegen die kommunistischen Partisanen eingesetzt. Immer wieder benutzte er Begriffe und Bilder aus der Funkersprache, um das Verhältnis des Menschen zu Gott zu erklären.

Anschließend versuchte er 1949, auf dem Heiligen Berg Athos einen geistlichen Vater zu finden und begann 1950 im Kloster Esphigmenou das gemeinschaftliche monastische Leben. Sowohl sein asketischer Eifer wie auch seine Gnadengaben zeigten sich schon sehr früh. Eine Frucht seiner intensiven Lektüre geistlicher Schriften ist ein handschriftliches Heft, in dem der Selige wichtige geistliche Texte zusammengetragen hat. Dieses Heft wurde von Erzpriester Georgios Manos, Pfarrer der griechisch-orthodoxen Gemeinde in Hamburg, mit dem griechischen Titel „Texte der Reue und Beichte“ 2009 publiziert. 1954 wurde der Dokimos Arsenios im Alter von 30 Jahren zum Rason-Mönch Averkios geschoren.

Seit seinem ersten Athosbesuch folgte er dem Rat von Papa-Kyrillos in der Skiti Panteleimos unterhalb von Koutloumousiou, der später Abt des Klosters wurde. Dieser riet ihm nach seiner ersten Tonsur ins idiorhythmische Kloster Philotheou zu wechseln, welches mitten auf der Halbinsel abseits jeder Strassen und Schiffshäfen gelegen ist. Dort wurde er 1957 zum Mönch Paisios geschoren und erhielt das kleine S’chima. Vorher erkrankte er schwer und musste seine Lungen außerhalb des Heiligen Berges in Konitsa kurieren. Die Verbindung in die Heimat seiner Jugend blieb bestehen, und 1958 kehrte er wieder dorthin zurück, um das verbrannte Gottesmutterkloster Stomion aufzubauen und der protestantischen Mission unter den Flüchtlingen entgegenzuwirken. In dieser Zeit hob er auch die Reliquien des heiligen Arsenios, seines Taufpriesters, dessen Name er als Kind getragen hatte, aus dessen Grab. Später übergab er sie dem von ihm gegründeten Frauenkloster in Souroti. Außerdem schrieb er die Lebensgeschichte des Heiligen nieder.

1962 siedelte er ins Katerinenkloster am Berg Sinai in Ägypten und bezog eine Einsiedelei nördlich-östlich des Klosters gegenüber der Treppe zum Mosesberg mit einem einmaligen Blick auf beide Bergspitzen, der 10 Gebote und des Ortes, an dem die Gebeine der heiligen Katerina von den Engeln niedergelegt waren. Erzbischof Damianos war bereits damals im Kloster und in geistlicher Freundschaft dem seligen Paisios verbunden. Auch Tarfa, einen Ort auf dem halben Weg zwischen dem Kloster und Faran, der eine Einsiedelei für Nonnen geworden ist, hat der Heilige ausgesucht.

Da das Leben in der Felswüste des Sinai klimatisch hart ist, musste der selige Paisios 1964 seine Einsiedelei auf der Felswand der heiligen Galaktion und Epistimi wieder verlassen und ließ sich in der athonitischen Skiti des Klosters Iwiron nieder, stellte sich aber unter die geistliche Führung des russischen Priestermönchs Papa-Tychon im Kelli des Ehrwürdigen Kreuzes oberhalb von Stavronikita. Über diesen Gerontas, der ihn am 11.1.1966 des Großen S’chimas würdigte, hat der seligen Paisios später in seinem Buch über Athonitische Väter geschrieben. Damals wurde sein nicht auskuriertes Lungenleiden immer schlimmer, und schließlich verlor er bei einer Operation über die Hälfte seiner Lungen. Im folgenden Jahr wechselte er in den Erimos des Athos, die asketische Felsengegend am Athosmassiv in Katounakia, um sich im Kelli des Hypatios abgeschieden von allen Menschen ganz dem Gebet zu widmen. Er blieb aber nur ein Jahr, da er sein Versprechen einlösen wollte, dem späteren Abt Basileios von Stavronikita und Iwiron, den er aus der Skite Iwiron kannte, beim Aufbau des heruntergekommenen kleinen Athosklosters Stavronikita als Koinobion nach Kräften zu helfen. Dort konnte er auch in der Nähe seines geistlichen Vaters Tychon (1884-1968) leben, dessen Kelli er erben durfte. In diesem Kelli begann der Strom der Pilger und Hilfesuchenden, der sich fortsetzte und noch intensivierte, als der 1979 ins Kelli Panagouda wechselte.

Für viele Menschen wurde er Wegweiser, aber auch Fürbitter und auch Wundertäter. Wenn im Gottesdienst gesagt wird: „Auf die Gebete unserer heiligen Väter …“ so können viele Menschen bezeugen, dass sie aufgrund der Gebete des seligen Vaters Paisios lebten und geistliche Fortschritte machten. Vor allem aber seine Menschliebe, Freundlichkeit aber auch Direktheit in der Anrede und im Urteil zogen die Menschen an und halfen ihnen zur Selbsterkenntnis und zur Rückkehr auf den gottgewollten Weg.

Auch die drei Klöster auf der Chalkidiki lebten von seiner Führung und Wegweisung, aber auch seinen Gebeten: die beiden Frauenklöster des hl. Evangelisten Johannes, des Theologen in Souroti und des hl. Vorläufers Johannes in Metamorphosi sowie das Männerkloster des hl. Arsenios, dessen Ort in der Gemarkung Batopaidi in der Nachbarschaft von Ormilia der selige Gerontas selbst ausgewählt hat. Glücklicherweise können wir heute viele seiner Weisungen in den gesammelten Schriften nachlesen und auf uns selbst beziehen.

Sein durch Askese, schwere Arbeit, strenges Fasten und Gebet, aber auch Krankheiten geschwächter Leib erkrankte schließlich so schwer, dass er den Athos verlassen musste. Nach einer halbjährigen Leidenszeit mit Krebs, Operationen und Therapien starb er am 12. Juli 1994 im Alter von 70 Jahren im von ihm gegründeten Kloster in Souroti, in dem er auch bestattet wurde. Nun ist seine von zahllosen Pilgern täglich besuchte Ruhestätte das Grab eines Heiligen unserer Orthodoxen Kirche, auf dessen Fürsprache wir Gläubigen leben und Gott sich unser erbarmen möge.


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Predigt über die Gnade des Schächers

Hl. Johannes Maximowitsch (+1966)

“Einer der gehängten Verbrecher lästerte Ihn und sagte: «Bist Du nicht der Messias? Dann hilf Dir selbst und uns!» Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: «Hast du nicht einmal Furcht vor Gott, der du das gleiche Gericht erleidest? Wir leiden zu Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdienen: Dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach zu Jesus: «Gedenke meiner, wenn Du in Dein Reich kommst!» Er erwiderte ihm: «Wahrlich, ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!” (Luk 23,39-43)

So berichtet der heilige Evangelist Lukas über die Bekehrung und Begnadigung des Schächers durch Christus, der neben Ihm am Kreuz auf Golgatha gehängt wurde.

Womit hat sich der Schächer eine solche Gnade erworben? Wie bewirkte er eine so schnelle und entschiedene Antwort des Herrn? In der Hölle befanden sich noch alle alttestamentlichen Gerechten, einschließlich des Heiligen Johannes des Vorläufers. In die Hölle zu gehen bereitete sich der Herr selbst vor, natürlich nicht , um dort zu leiden, sondern um die dort Gefangenen herauszuführen.

Noch keinem hatte der Herr bisher verkündet, ihn in das Himmelreich zu führen, selbst den Aposteln verkündete Er nur, daß Er sie in Seine Wohnungen aufnehmen werde, wenn sie bereitet sind. Weshalb erlangte der Schächer vor allen anderen die Gnade? Warum öffneten sich ihm so rasch die Tore des Paradieses? Versetzen wir uns in den Seelenzustand des Schächers und in die ihn umgebende Lage. Sein ganzes Leben verbrachte er mit Raub und Verbrechen. Aber anscheinend starb in ihm nicht das Gewissen und in der Tiefe seiner Seele blieb etwas Gutes. Die Überlieferung sagt sogar, daß er eben jener Räuber war, dem zur Zeit der Flucht Christi nach Ägypten das wunderschöne Kind leid tat, so daß er nicht zuließ, daß Es seine Genossen töteten, die zusammen mit ihm die nach Ägypten fliehende Familie überfallen hatten. Erinnerte er sich nun vielleicht, als er das Antlitz des Allerhöchsten neben sich am Kreuz betrachtete? Aber sei es so gewesen oder auch nicht, auf alle Fälle weckte der Anblick Christi des Schächers Gewissen. Er hing jetzt neben einem Gerechten “dem Schönsten und Besten aller Menschensöhne”, welcher zu diesem Zeitpunkt “ohne Ansehen und kleiner als alle Menschensöhne” war, Der weder Gestalt noch Ansehen hatte” (Jesaja). Auf Ihn schauend kam der Schächer im wahrsten Sinne des Wortes wie aus einem Tiefschlaf wieder zur Besinnung. Er erkannte deutlich den Unterschied zwischen Ihm und sich selbst . Dieser ist zweifellos ein Gerechter, der sogar Seinen Folterern verzeiht und für sie zu Gott betet, Welchen Er als Seinen Vater bezeichnet. Und er, ein mehrfacher Mörder, der das Blut vieler Menschen vergossen hat, die ihm nichts Böses getan hatten. Indem er auf Den am Kreuz Hängenden blickte, erkannte er tatsächlich im Spiegel seinen sittlichen Fall. Alles Bessere, das sich in ihm verbarg, erwachte und suchte einen Ausweg. Er erkannte seine Sünden und verstand, daß ihn nur seine eigene Schuld zu seinem traurigen Ende geführt hatte und er niemand anderen sonst beschuldigen konnte. Deshalb wich die haßerfüllte Haltung gegen die Vollstrecker der Strafe, von der der Schächer auf der anderen Seite von Christus durchdrungen war (Matth. 27,44), zu Gunsten der Empfindung von Demut und Zerknirschung. Er empfand Furcht vor dem ihm nahenden Gericht Gottes. Ekelhaft und schrecklich wurden für ihn seine Sünden. In der Seele war er bereits kein Schächer mehr. In ihm erwachten Menschenliebe und Barmherzigkeit. Mit dem Schrecken über das Los seiner Seele verband sich die Abwendung von der gleichzeitigen Beschimpfung des unschuldig Leidenden. Zweifellos hatte er schon früher von dem großen Lehrer und Wundertäter aus Nazareth gehört. Der aus Judäa und Galiläa Stammende war das Thema vieler Gespräche und Unterhaltungen im ganzen Land. Früher ging das, was er über Ihn hörte an seiner Aufmerksamkeit vorüber. Nun, da er sich plötzlich mit Ihm zusammen in der gleichen Situation befand, begann er Seine sittliche Größe zu erkennen.

Die Güte, das Allverzeihen und das Gebet Christi machten den Schächer betroffen. Er erkannte mit dem Herzen, daß neben ihm kein gewöhnlicher Mensch war. Sich in solcher Weise an Gott zu wenden, wie an Seinen Vater, konnte in der Stunde des Todes nur Derjenige, welcher sich wahrhaftig als der Sohn Gottes wußte. Unerschüttert in Seiner Lehre von der Liebe und dem Allverzeihen alle gemeinen, menschlichen Verleumdungen und Bosheiten von denjenigen ertragen, denen er Gutes getan hatte, konnte nur Derjenige, welcher in enger Verbindung mit der Quelle der Liebe oder Dieselbe Selbst war. Der Schächer erinnerte sich an alles, was er an Ungewöhnlichem über den nun mit ihm Gekreuzigten gehört hatte, und das warme Gefühl von Glauben wurde in seinem Herzen geboren. Ja, ohne Zweifel war dieser der Sohn Gottes, Der von der Welt nicht angenommen in den Himmel zurückkehrte, der Sohn Gottes, Der den Menschen verzeihen konnte! In ihm erwachte die Hoffnung, daß er der Verurteilung durch das Gericht nach dem Tode entgehen werde. Wenn Jesus Seinen Vater für Seine Kreuziger bittet, wird Er auch den mit Ihm Gekreuzigten nicht verstoßen. An Ihn muß man sich wenden, damit Er, der jetzt mit ihm dasselbe Los des bitteren Leidens teilt, ihn auch in Seine Seligkeit aufnimmt.

In der Tat trifft die Hinwendung zu Jesus mit Worten der Liebe und der Anteilnahme auf die Spötter der Menge im Umkreis, die Ihn verteufeln und beschimpfen. Ihn als Gerechten und Sohn Gottes anzunehmen bedeutet, die Aufmerksamkeit und den Zorn der Ältesten von Judäa auf sich zu lenken.
Obwohl sie ihm nicht mehr körperliche Qualen aufbürden können als er schon erduldet, wie schwer ist es doch, um sich herum nur Bosheit zu fühlen, wie schwer wird für ihn das Leiden, wenn eine lärmende feiernde Menge auch auf ihn zu spotten beginnt! Aber was bedeutet für ihn nun noch der Zorn der Welt, was die spottenden Leute? So schwer es für den verstoßenen Menschen an der Schwelle des Todes ist, wieviel schwerer ist es für den verstoßenen Gott? Er geht zum Gericht Gottes, und hat nur nötig, Gott zu fürchten. Im letzten Augenblick des Lebens muß man alles tun, was noch möglich ist, um die Seligkeit Gottes zu erwerben! Einfach mit seinen Worten wollte er das Leiden Christi ein wenig erleichtern, damit auf diese Weise wenigstens einer der Spötter in sich geht und aufhört, Ihn schlecht zu machen (zu schmähen*). Christus verkündete, daß für einen in Seinem Namen gereichten Becher Wassers vergolten wird, Er läßt für das Mitleid des Schächers auch diesen nicht ohne Belohnung. Die Schmähungen, die über Christus niedergehen, schmähen zusammen mit Ihm auch ihn! Dies verbindet ihn noch stärker mit Christus! Mit Christus teilt er das Schicksal und Christus vergißt ihn nicht in Seiner Herrlichkeit!

Und da begann er mitten unter dem lauten Lärm der Spötter, Schmäher und Beschimpfer seinen Mitgenossen, der an der linken Seite Christi hing, zu ermahnen, die Lästerung einzustellen. “Fürchtest du etwa Gott nicht, der du in ein und demselben Gericht bist? Und wir nämlich zu Recht: Würdig unseren Werken empfangen wir. Dieser aber hat nicht ein einziges Böses getan. “ Und darauf hörte man von seinen Lippen die demütige Stimme: “Gedenke meiner, Herr, wenn Du in Dein Reich kommst.” Dies war die Stimme des ehemaligen Schächers und jetzt neuen Menschen in Christo, der in dem Augenblick von Christus überzeugt war, als die früheren Jünger Ihn verließen. “Der Schächer lobte Gott, ich aber habe mich abgewendet” (Ton 5), wehklagte später mit Gram der hl. Apostel Petrus. Zu diesem Zeitpunkt zweifelten auch alle anderen Apostel am Herrn. Sogar der hl. Johannes der Theologe, der nicht aufhörte, seinem Lehrer zu folgen und am Kreuz auf Golgatha stand, hatte, obwohl er fortfuhr an seinen geliebten Jesus zu glauben, dort keinen vollkommenen Glauben in die Göttlichkeit seines Lehrers mehr. Erst nach der Auferstehung, als er in das leere Grab hineinging, in welchem die Tücher und das Schweißtuch für den Kopf lagen, die den toten Körper Christi umhüllt hatten, “sah er und glaubte”, daß Christus wahrhaftig auferstanden ist und der Sohn Gottes ist. Die Apostel wurden in ihrem Glauben an Jesus, den Messias, erschüttert, weil sie in Ihm einen irdischen König erwarteteten und ein Königreich, in welchem sie “rechts und links” vom Herrn sitzen konnten.

Der Schächer verstand, daß das Reich des Erniedrigten und einem schändlichen Tod ausgelieferten Jesus aus Nazareth “nicht von dieser Welt” ist. Und gerade dieses Reich suchte jetzt der Schächer, vor dem sich die Tore des irdischen Lebens schlossen, während sich die Tore der Ewigkeit öffneten. Die Dinge des irdischen Lebens waren für ihn abgeschlossen. Er dachte jetzt an das ewige Leben. Und an der Schwelle zur Ewigkeit wurde ihm die Nutzlosigkeit irdischen Ruhms und irdischer Herrschaft klar. Er erkannte, daß wahre Größe in der Gerechtigkeit liegt, und im gerechten, unschuldig gequälten Jesus erkannte er den König der Wahrheit. Er erbat von Ihm nicht Ruhm im irdischen Reich, sondern die Errettung seiner Seele. Der Glaube des Schächers, der aus der Niederwerfung vor der sittlichen Größe Christi geboren wurde, erwies sich stärker als der Glaube der Apostel. Obwohl sie begeistert waren von der erhabenen Lehre Christi, glaubten sie noch mehr wegen der von Ihm ausgehenden Wunder und Zeichen an Ihn. Jetzt vollzog sich keine wunderbare Befreiung Christi von Seinen Feinden, – und der Glaube der Apostel wurde erschüttert. Aber das Offenbarwerden der Geduld, des Allverzeihens und des Glaubens durch Christus in Seiner ununterbrochenen Verbundenheit mit dem Vater im Himmel drückte so klar die Gerechtigkeit Jesu aus, Seine sittliche Größe, daß, wenn man deretwegen an Christus glaubte, gerade der nicht erschüttert werden konnte, der die seelische und sittliche Auferstehung suchte. Aber gerade danach dürstete der Schächer, der sich seines tiefen Falles bewußt war. Er bat Christus nicht darum “rechts oder links von Ihm” in Seinem Reich zu sein, sondern im Bewußtsein seiner Unwürdigkeit bat er Ihn mit Demut nur “seiner in Seinem Reich zu gedenken”, wenn Er ihm auch den letzten Platz gäbe. Er bekannte öffentlich den gekreuzigten Christus als Herrn und erbat von Ihm Erbarmen.

Der demütige Glaube an Christus machte ihn zu einem Bekenner. Seinem Schicksal nach war er sogar ein Märtyrer, denn er fürchtete sich nicht, den von allen Verstoßenen “König der Juden”, als seinen Herrn zu bezeichnen, auf Welchen sich der Haß des zahllosen Volkes konzentriert hatte, das sich in diesen Tagen von allen Enden der Welt zum Passafest in Jerusalem versammelt hatte und zusammen mit seinen Ältesten und Priestern Christus beschimpfte. Er wäre sicher nicht davor zurückgeschreckt, auch für Christus zu leiden.

Die so große Buße des Schächers gebar Demut und zusammen mit ihr erschien ein im Folgenden sich als so fest erweisender Glaube, welchen zu diesem Zeitpunkt auch die engsten Jünger nicht besaßen. Der überzeugt glaubende Schächer eröffnete jenen schmalen Pfad, zu dem damals keiner der Apostel fähig war. “Jeder der Mich vor den Menschen bekennt, den werde Ich auch vor Meinem Vater in den Himmeln bekennen.”, sagte der Herr Jesus Christus (Mt 10,32).

Der Schächer bekannte Christus, er bekannte Ihn vor dem vielzähligen Volk, das Ihn verspottete, als keiner es wagte, dies zu tun und sogar die noch an Ihn glaubenden Jünger und Frauen nur mit bitteren Tränen Zeugnis von ihrer Liebe zu Ihm gaben. Der Schächer tat das, was einstmals die drei Jünglinge in Babylon getan hatten, als sie sich weigerten, vor dem goldenen Götzenbild niederzufallen, welches Nebukadnezar auf dem Felde Deire aufgestellt hatte, vor dem sich “alle Völker, Stämme und Sprachen” (Dan 3,7) niederwarfen. Der Schächer glaubte fest an den Herrn, den Wachenden “und bekannte den sich hingebenden Gott”, vor allen erkannte er Ihn und erfuhr die Kraft der Auferstehung und die Teilnahme an Seinen Leiden und erlitt körperlich Seinen Tod mit (Phil 3,10). Vor allen anderen verstand er, worin das “Reich, das nicht von dieser Welt ist” besteht, und er erkannte “was Wahrheit” ist (Joh 18,36-38). Er verstand als erster, was das Reich Gottes ist, deshalb kam er als erster hinein. Er erkannte als erster “Jesus Christus und Seine Kreuzigung” (1. Kor 2,2), als erster bekannte er Christus den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit, den Berufenen selbst aber, Juden wie Griechen, Christus als Gottes Kraft und Weisheit (1. Kor. 1,23-24). Deshalb erfährt er auch als erster an sich die Kraft und die Weisheit Gottes, die Kraft der mitleidenden und auferstehenden Liebe Christi, als erster “vernahm er die kraftvolle Stimme des Kreuzes, duch die das Paradies sich öffnet.” (4. Lied des Auferstehungskanons).

Die rückhaltlose Reue über seine Sünden und Verbrechen, tiefe Demut, fester Glaube in die freiwillige Überlieferung des Herrn in den Tod durch das Kreuz und sein Bekenntnis zu einem Zeitpunkt, als die ganze Welt gegen ihn war, – dies ist der Stoff, woraus der Kranz geflochten wurde, den das Haupt des ehemaligen Schächers krönte wie einen Bekenner und wie einen Asketen. Dies ist es, woraus der Schlüssel geschnitten wurde, der ihm die Türen zum Paradies öffnete!
Viele sündigen und hoffen auf die Buße vor dem Tod und zeigen auf das Beispiel des guten Schächers. Aber ist einer fähig zu einer ihm gleichen Askese? “Der Herr erbarmte sich des Schächers in der letzten Stunde, damit niemand verzweifelt. Aber nur einem erbarmte er sich, damit niemand übermäßig auf Seine Barmherzigkeit hofft.” (Sel. Augustinus).

“Ein solches war sein Ende! Was für eines wird unseres sein – wir wissen nicht, welchen Todes wir sterben werden, wir wissen nicht, ob er unvorhergesehen kommt oder mit irgendeiner Vorankündigung?” (Hl. Theodor Studites, “Eine Unterweisung aus Anlaß des unvorhergesehenen Todes eines Bruders”). Können wir denn dann in einem Augenblick sittlich wieder auferstehen und seelisch aufgerichtet werden, wie der “Gefährte Christi”, “die kleine Stimme, die aushaucht und großen Glauben findet”? Gefällt uns nicht in Wahrheit viel mehr ein plötzlicher Tod, so daß wir in Bezug auf die Hoffnung auf die Buße vor dem Tod als Lügner dastehen?” (Rede des Hl. Kyrill von Alexandria, “Über das lezte Gericht”, die im großen Stundenbuch abgedruckt ist). Deshalb: “Sünder, schiebe die Buße für die Sünden nicht auf, so daß sie mit dir in das andere Leben übergehen und dich überladen mit übermäßiger Last.” (Sel. Augustinus, “Iliotropoin”; Hl. Johannes von Tobolsk, Buch 4, Kap. 5).

Das Beispiel vom guten Schächer soll uns aufmuntern, die Buße nicht zu verschieben, sondern “sich mit Christus kreuzigen zu lassen” (Gal. 2,19) und von Herzen Buße zu tun, damit auch wir an uns “die Gnade des Mitleidens” erfahren (Gebet Simeons des Neuen Thologen).

“Das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Wollüsten “ (Gal 5,25), werden wir hungrig nach der schnelleren, völligen inneren Erneuerung, indem wir uns ganz und gar dem Willen Gottes übergeben und Christus um Gnade und um Trost bitten. “Die Buße des Schächers gib auch uns, einzig Menschenliebender, dienend glaube ich, Christus unser Gott, Dir singend: Gedenke auch unser in Deinem Reich” (Selige Auferstehung 4. Ton).

Der gute Schächer wurde in einer Stunde des Paradieses gewürdigt, Herr, erleuchte auch mich durch das hölzerne Kreuz und errette mich.

Amen.



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